Wie ich leben soll, weiss ich noch nicht
Ute Kröger

Wie ich leben soll, weiss ich noch nicht

Erika Mann zwischen "Pfeffermühle" und "Firma Mann". Ein Porträt

192 Seiten, 80 Abb., gebunden
1., Aufl., Oktober 2005
SFr. 29.80, 29.80 €
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978-3-85791-484-3

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Sie war ausgestattet mit allem, was man zum Leben braucht und begabt mit vielen Talenten: selbständig, intelligent, charmant, streitlustig, energisch, lebenstüchtig, erfolgreich. Aber immer lebte sie im Spannungsfeld von Eigenständigkeit und Trägerin des grossen Namens. Dieses Porträt mit vielen unveröffentlichten Bildern und Dokumenten sowie die Erinnerungen Frido Manns an seine Tante dokumentieren ihr Leben als Gründerin der 'Pfeffermühle', als Kinderbuchautorin, als Journalistin und Kriegsreporterin, als Familieninstanz, als Nachlassverwalterin und Herausgeberin der Werke ihres Bruders und ihres Vaters und als prozessfreudige Inhaberin der literarischen Firma Mann.

Ute Kröger

Ute Kröger, Studium der Germanistik, Philosophie, Geschichte, Doktorat. Lehrtätigkeit an Gymnasien und in der Erwachsenenbildung, wissenschaftliche und publizistische Arbeiten. Lebt als freie Publizistin in Kilchberg ZH.

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Inhalt

«Wie ich leben soll,weiss ich noch nicht,weiss nur, dass ich muss»

«Weil ich will»

Die Kabarettistin und Prinzipalin mit der «Pfeffermühle» im Schweizer Exil

«Den Missionar machen»

Vortragsreisende, Rundfunksprecherin, Reporterin, Journalistin, Mahnerin …

«Ziemlich pausenlos und sehr zum Nutzen der ‹Familie› beschäftigt»

Nachlasshüterin, Herausgeberin, Biografin, Drehbuchautorin, Schauspielerin …

«Noch immer denkbar, dass ich frei wäre, meiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen»

Autorin von Kinder- und Jugendbüchern

«Wieviel lieber wäre ich bei Euch als draussen in der bösen Welt»

Im Beziehungsnetz

«Heimatort(e): nicht ersichtlich»

Erika Mann und die Schweiz

Leben im «Witwenschloss»

Aus einem Gespräch mit Frido Mann über seine Erinnerungen an die Zeit mit Erika Mann

«Wie ich leben soll, weiss ich noch nicht, weiss nur, dass ich muss»

Wie passt dieses Geständnis zu ihr, die man doch kennt als lebenshungrig, selbstbewusst, mutig, lebenstüchtig, zielstrebig, tatkräftig, unerschrocken, unkonventionell, souverän,emanzipiert ... – zu der berühmten Kabarettistin und Prinzipalin, die mit ihrer «Pfeffermühle» Furore gemacht hat?

Der Satz ist gefallen unter dem Schock des Freitods ihres Bruders Klaus.Er steht hier für eine seltsame Unschlüssigkeit der stets schnell Entschlossenen: Erika Mann war zwar ausgestattet mit allem, was man zum Leben braucht, und begabt mit vielen Talenten. Aber gleichzeitig lebte sie immer im Spannungsfeld von Eigenständigkeit und dem Tragen des grossen Namens.

Die Lektüre von Dokumenten, Tagebucheinträgen, Manuskripten etc., vor allem aber ihrer äussert umfangreichen Korrespondenz, von der nur ein geringer Teil veröffentlicht ist, zeigt, dass Erika Mann den Bannkreis des «Familienunternehmens » – persönlich wie beruflich – nie verlassen hat und so auch nie wirklich zu ihrem ganz Eigenen gelangt ist.Es entsteht das Bild einer weitgehend unbekannten Erika Mann, das oft tatsächlich nicht demjenigen entspricht, das von ihr kursiert.

Sichtbar wird, dass sie selbst gerne und oft Geschichten über sich so erzählte, wie sie gesehen werden wollte, womit sie dafür sorgte, dass viele Facetten ihrer Persönlichkeit und ihrer Lebensentscheidungen verborgen blieben. Sichtbar wird, dass sie beruflich viel mehr war, als «nur» erfolgreiche Kabarettistin, sondern beispielsweise Autorin entzückender Kinderbücher, die alle verdienten, wiederentdeckt zu werden ...

Dieses Porträt ist keine Biografie. Entstanden sind einzelne biografische Skizzen, die entscheidende Lebensstationen mit symptomatischen Ereignissen, Begebenheiten, Konflikten, familiären und freundschaftlichen Beziehungsgefügen nachzeichnen. Die sehr originelle Schreibweise Erika Manns wird ebenso getreulich wiedergegeben wie ihre unkonventionelle Interpunktion und nur an besonders auffallenden Stellen markiert; lediglich offensichtliche Schreibfehler sind stillschweigend korrigiert. Die Bildlegenden sind leider oft knapp ausgefallen, weil genauere Angaben in den Quellen nicht auszumachen waren.

Auf Zitatnachweis nach wissenschaftlicher Manier wurde verzichtet; soweit es sich nicht um unveröffentlichte Briefe handelt, sei auf das Literaturverzeichnis verwiesen.

«Weil ich will»

Die Kabarettistin und Prinzipalin mit der «Pfeffermühle» im Schweizer Exil


pfeffermuehle0«Ich muss sagen, von allen meinen Existenzen – ich hatte sehr viele verschiedene Existenzen: ich habe als Schauspielerin angefangen,ich war Rennfahrerin, ich habe für Ford einen Preis gewonnen, ich war Schriftstellerin, ‹lecturer› in Amerika – aber von allem, was ich je getan habe, erinnere ich mich am liebsten an die ‹Pfeffermühle›», betont Erika Mann in ihren letzten Lebensjahren.

Die «Pfeffermühle» war wohl in der Tat mehr als alles andere ihr «Ding», in dem sie alles zum Funkeln und Leuchten bringen konnte, was ihr gegeben war: Kraft, Phantasie, Geist, Intelligenz, Organisationsvermögen, Charme, Ausstrahlung, familiärer Background, künstlerische Begabung, Hartnäckigkeit ...

Und die «Pfeffermühle» brachte ihr alles, was ihr lebenswichtig war: öffentliche Wirkung zwischen Applaus und Skandal, Erfolg, unmittelbare Präsenz, politische Resonanz ... Mit Recht war sie stolz auf ihre Leistung: Sie hat ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des Exils geschrieben und ist in die Geschichte des Kabaretts, zumal des Schweizer Kabaretts, eingegangen.

Andere Resultate der objektiven Wissenschaft

pfeffermuehle1Umso merkwürdiger erscheint, dass sie in den Sechzigerjahren rigoros alle journalistischen Projekte verhinderte, die eine Dokumentation der «Pfeffermühle » vorsahen. Dafür freilich hatte sie gute Gründe: So sehr es ihr am Herzen lag, Exilliteratur und exilierte Literaten aus Vergessen und Verdrängtem hervorzuholen, so besah sie doch mit Grausen gewisse Ergebnisse der beginnenden Exilforschung: weinerlich-anbiedernde bis arrogant-abschätzige Darstellungen, in deren Windschatten eilfertige Journalisten einem unwissenden oder ignoranten breiten Publikum, dem alles längst historisch geworden ist, fragwürdige «Dokumentationen» lieferten. Ihre Abscheu vor all dem ist somit nur zu verständlich und damit auch ihre Weigerung, die «Pfeffermühle» «zerreden» zu lassen. «Es gibt keine Verständigung zwischen den deutschen Fernsehguckern und Leuten wie mir», erklärt sie abschliessend.

Allerdings erzählt sie selber in ihren letzten Jahren gern und oft Geschichten von ihrem Kabarett: von dem politischen Programm und seiner Wirkung auf das Publikum, von mediokren konkurrenzneidischen, intriganten Schweizer Kollegen, vom vorbildlichen Ensemblegeist ihrer Truppe, den «Schweizer Schwierigkeiten», den politischen Anfeindungen, der Standhaftigkeit angesichts von Schlägern und rechten Krawalldemonstrationen, von kleingeistigen, willfährigen Behörden, die in Zürich am Ende mit einer «Lex Pfeffermühle» ihr Kabarett und alle ausländischen Truppen mit Auftrittsverbot belegt hätten.

pfeffermuehle2Ihre Erinnerungen an die «Pfeffermühle» haben das Kabarett zur Legende werden lassen. Die Geschichte von der «Lex Pfeffermühle» beispielsweise geisterte Jahrzehnte immer wieder durch die Literatur; wies Zürichs Stadtarchivarin endgültig nach: Es hat sie nicht gegeben. Hat also Erika Mann gewusst oder geahnt (oder befürchtet?), dass sich ihre Darstellungen und Erinnerungen nicht immer mit Nachweislichem decken? Oder verteidigte sie bloss – auch dies möglicherweise uneingestanden – ihr Recht, eigene, persönliche Erinnerungen unangetastet bewahren zu dürfen? An einen amerikanischen Literaturwissenschafter, der über Thomas Mann arbeitete, schrieb sie: «Nur ist es so, dass die objektive Wissenschaft fast immer zu anderen Resultaten kommt als die intime Kenntnis der Figur und des Lebens, die da behandelt werden.» Diese Einsicht gilt besonders für die «Pfeffermühle».

Mit ihren Geschichten hat sie auch ein Bild von der politischen Befindlichkeit der Schweiz in den Dreissigerjahren gezeichnet, das sich schliesslich passgenau in die heftige, aber nicht immer klischeefreie Auseinandersetzung um die unmenschliche schweizerische Flüchtlingspolitik und die fremdenfeindliche Igelhaltung der Schweizer einfügte und um ein weiteres Beispiel bereicherte. Und so wie sie – wenn überhaupt, so nur andeutungsweise und herablassend – kaum von Hilfe und Grossmut, gar Uneigennützigkeit schweizerischer Freunde spricht, so ist es bis heute verpönt, auf Bürgermut und Einsatz für die Flüchtlinge zu verweisen oder das schwierige und sehr spezielle Verhältnis zwischen Schweizern und Deutschen zwischen Anpassung und Ablehnung differenziert zu diskutieren – ein weites Feld, auf dem die «Pfeffermühle» als exemplarische Frucht ein wenig genauer und aus anderen Blickwinkeln als bisher üblich zu betrachten wäre.

Neue Zürcher Zeitung, 5./6. Dezember 2005
Der kleine Bund, 5. November 2005
Darmstädter Echo, 7. November 2005
Der Bund, 8. November 2005
Stuttgarter Zeitung, 8. November 2005
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. November 2005
Main-Echo, 9. November 2005
Mannheimer Morgen, 9. November 2005
Tages-Anzeiger, 9. November 2005
St. Galler Tagblatt, 9. November 2005
Mittellandzeitung, 9. November 2005
Neue Luzerner Zeitung, 9. November 2005
Der Landbote, 9. November 2005
Aargauer Zeitung, 9. November 2005
Tages-Anzeiger, 11. November 2005
NZZ am Sonntag, 20. November 2005
Literaturen, 1/2 2006
ekz Bibliotheksservice
Aargauer Zeitung, 7. Januar 2006

«Wirklich etwas zu sagen über Erika Mann hat Ute Kröger. In einer knappen, brillanten Porträtskizze stellt sie einzelne ihrer Lebensstationen in den Mittelpunkt. (...) Krögers Grundsympathie für ihren Gegenstand verführt sie nicht dazu, die harten, ungerechten, manchmal unsympathischen Züge Erika Manns zu verschweigen (...).
Als eigentliche Lebensleistung Erika Manns neben dem Kabarett und der assistierenden Tätigkeit für den Vater sieht Kröger ihre Kinderbücher an, für deren Wiederentdeckung sie eindringlich plädiert. Überzeugender noch ist das Kapitel über das Beziehungsgeflecht der Familie, der Höhepunkt des Buches. Ute Kröger schildert sowohl die Solidarität der Manns untereinander gegen die äußere Welt als auch die innerfamiliären Konflikte und Rivalitäten. Mit keinem der Geschwister konnte Erika nach Klaus' Tod Frieden halten, und selbst mit der Mutter rang sie eifersüchtig um den nächsten Platz am Thron Thomas Manns. (...)
Der glänzend formulierter Essay präsentiert eine vielseitige, scharfkantige und lebendige Erika Mann.» Frankfurter Allgemeine Zeitung

«Zu ihrem 100. Geburtstag ist etliches von ihr wieder aufgelegt worden und einiges Neue über sie erschienen. Das lesenswerteste Porträt dagegen stammt von Ute Kröger. Es überzeugt durch Stil, Klarheit, Faktentreue und die Fokussierung auf die komplexe ‹Familienpolitik› der Manns.» NZZ am Sonntag

«Auch Kröger steht ihrer Heldin keineswegs unkritisch gegenüber. Nah an den Quellen zeichnet sie einen zunehmend schwierigeren Charakter: eine Frau von bisweilen penetranter Umtriebigkeit, dominant im Auftreten, eitel und eifersüchtig, wo die Gelegenheit sich bot (...), masslos im Hass bis hin zu paranoiden Ideen. Doch Kröger gelingt es, diese Defizite überzeugend mit der kreativen Kehrseite zu vermitteln. Die Streitlust war auch das polemische Talent der Kabarettistin, der Wille zur Selbstinszenierung das Charisma der politischen Rednerin, die Herrschsucht die segensreiche Fähigkeit, den ewig zaudernden Vater anzutreiben. Herausragend ist das Kapitel über die Kinderbücher.» Neue Zürcher Zeitung

«Warum sie heute vielen mehr als engagierte Vertreterin der ‹Firma Mann› bekannt ist denn als eigenständige Autorin, versucht Ute Kröger in ihrem ungewöhnlichen und lesenswerten Buch zu erklären; begleitet von zahlreichen Briefzitaten und Fotografien gelingt ihr - trotz des Schwerpunkts auf dem Verhältnis zur Schweiz - das differenzierte Porträt einer talentierten und charismatischen, andererseits dominanten und eigensinnigen Frau.» Stuttgarter Zeitung

«Ute Kröger beschreibt das ebenso anschaulich wie detailliert. Ihre Herangehensweise ist von Sympathie geprägt, aber nicht unkritisch gegenüber den Legendenbildungen, an denen Erika Mann arbeitete.
Der Kürze zum Trotz besitzt dieses Porträt eine beachtliche Tiefenschärfe, und weil der Band ausgiebig illustriert ist und zudem Erika Mann selbst in vielen Texten zu Wort kommen lässt, rundet er sich zum schönen Bilder- und Lesebuch, das neben dem Charakter dieser außergewöhnlichen Frau auch ein zeithistorisches Panorama zeichnet.» Stuttgarter Zeitung

«Darum gibt es nun auch eine neue, gut recherchierte und einsichtig strukturierte Biografie von Ute Kröger, welche die älteste Mann-Tochter (...) als Künstlerin und selbständige Frau des 20. Jahrhunderts mit allen zeit- und familientypischen Zerrissenheiten zur ihrem Recht kommen lässt..» Literaturen

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