Wenn wir uns gut sind
Karoline Arn

Wenn wir uns gut sind

Ruth Seiler-Schwab - ds Müeti vom Schlössli Ins

280 Seiten, 27 Abb., gebunden
1., Aufl., Oktober 2007
SFr. 34.–, 38.– €
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978-3-85791-533-8

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Schlagworte

Lebensgeschichten Bern
     

Die Heimschule Schlössli Ins bietet seit über 50 Jahren 'schwierigen' Kindern und Jugendlichen eine Heimat. Zusammen mit ihrem Mann Rudolf gründete Ruth Seiler-Schwab, 'ds Müeti', 1953 die auf anthroposophischer Grundlage geführte Schule und leitete sie 20 Jahre.
1919 als Bauerntochter geboren, blieb Ruth Seiler eng mit der Natur und der Landwirtschaft verbunden, was sie aber nicht daran hinderte, sich während des Krieges der kommunistischen Bewegung anzuschliessen. Nach dem Krieg wandte sie sich vom Kommunismus ab und fand über ihren Mann Zugang zu Rudolf Steiners Anthroposophie.
In ihrer Biografie stellt Karoline Arn, die Ruth Seiler-Schwab seit mehreren Jahren kennt und Einblick in Tagebücher und Briefe hat, eine Frau vor, die engagiert das 20. Jahrhundert erlebt hat, den Zweiten Weltkrieg, den Kalten Krieg, die Reformpädagogik, aber auch den Kampf gegen Kinderlähmung und das Ringen um freie Liebesbeziehungen.

Karoline Arn
© Thierry de Meuron

Karoline Arn

Karoline Arn, geboren 1969. Ausbildung zur Primarlehrerin, später Geschichts- und Philosophiestudium und Nachdiplomstudium Journalismus. Seit 2002 Redaktorin bei Schweizer Radio DRS. Lebt mit Mann und ihren zwei Kindern in Münchenbuchsee.

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Inhalt

Umbruch an der Holzgasse

Das Grosse Moos

Sozialistin

Liebe 1

Die Trennung

Der Heiratsantrag

Kriegsausbruch

Die Entscheidung

Der Aufbruch

Die Lehre

Das Zeltlager

Die Verhaftung

Heirat

Die Arbeit

Illegalität

Das Emmental

Zwillinge

Sehnsucht

Existenzängste

Das Wiedersehen

Zerschlagene Hoffnungen

Die Flüchtlinge

Versöhnung

Ein eigenes Haus

Der Ausschluss

In Reust

Umzug

Glauben

Krankenversicherung für alle

Das Karma

Schatten

Der Plan

Das Schlössli

Unterstützung

Das Geld

Kinderlähmung

Häuserkauf

Wogen glätten

Verzweiflung

Der Tod

Auswandern

Liebe 2

Grenzen

Die Übergabe

Neue Heimat

Das Emmental in Südfrankreich

Neuanfang

Liebe 3

Der Übergang

Öffentlichkeit

Mein letztes Heft

Liebe 1

In Herzogenbuchsee lernte Ruth ein Lehrerpaar kennen und erzählte ihnen, sie sei auf der Suche nach Leuten, um auf dem Land und unter den Bauern den Sozialismus bekannter zu machen. Sie nannten ihr die Adresse von einem Genossen, einem jungen Lehrer in Kleindietwil, einem Nachbardorf von Herzogenbuchsee.

Noch am selben Abend setzte sich Ruth an ihren Schreibtisch, sie musste mehrere Anläufe nehmen. Die richtigen Worte wollten ihr nicht einfallen, immer wieder verglich sie ihre Zeilen mit der Wortwahl der beredten Genossen in Zürich. Blamieren wollte sie sich nicht, wenn sie einem studierten Lehrer schrieb.

Werter Genosse, Frau Wyss hat mir von Dir erzählt. Sie hat gesagt, Dir zu schreiben, weil Du sehr isoliert seiest, und ich es ebenfalls bin. Aussprachen, mündliche und briefliche, tun mir immer sehr gut. Braucht es doch ungeheuer viel Kraft und Mut, um den vielseitigen Schwierigkeiten gewachsen zu sein. Ich bin in einer Anstalt für alkoholkranke Frauen angestellt. Da ich unter Bauern aufgewachsen bin, möchte ich mich der Bauernfrage widmen und ganz besonders der Bauernjugend. Es gibt leider so viele Genossen, die die Wichtigkeit der Bauernfrage noch nicht eingesehen haben. Aber wenn man bedenkt, dass 60 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe über 100 Prozent verschuldet sind, also zum Proletariat herabgesunken sind, dann dürfen wir nicht mehr zögern und keine Arbeit scheuen – die Bauern für unsere Bewegung zu gewinnen.

Es würde mich sehr freuen, mit Dir zu korrespondieren. Nur muss ich sehr aufpassen, dass man mir hier nicht auf die Schliche kommt. Ich bin in der Kommunistischen Jugend, arbeite aber nur konspirativ. Mit freundlichem Genossengruss, Ruth Schwab, Gärtnerin.

Kaum hatte sie den Brief abgeschickt, kamen ihr grosse Zweifel. Sie war überzeugt, nie eine Antwort zu erhalten. Doch bereits nach einer Woche traf ein Brief vom Lehrer Robert Seiler ein:

Werte Genossin! Danke für Deinen Brief. Er hat mich gewaltig gefreut. Eineinhalb Jahre bin ich so ziemlich isoliert in unserem Dörfchen. Und Du wirst wissen, was es heisst: In einem Milieu leben, das einem fremd ist, in dem man nie offen sagen kann, was man denkt und fühlt. Zwar habe ich enge Fühlung mit den meisten Leuten. Ich bin hier aufgewachsen in Handwerker- und Bauernverhältnissen. Noch heute helfe ich den Bauern zur Zeit der grossen ‹Wärchet›. Ich kenne die Bauern und die Handwerker. Aber dennoch bin ich allein. Manchmal gelingt es, für diese oder jene Frage Interesse zu gewinnen oder die Augen zu öffnen. Aber ich darf mich nie als Kommunist ausgeben. Ich wäre als Lehrer erledigt. Ich habe keine Stelle. Gegenwärtig auch keine Stellvertretung. Es würde mich freuen, Dich mündlich sprechen zu dürfen. Bist Du an Sonntagen frei? Ich überlasse es Dir, Zeit und Ort zu bestimmen (Erkennungszeichen nicht vergessen!) Nochmals recht herzlichen Dank für Deinen Brief. Ein kräftiger Genossengruss R. Seiler.

Diesen ersten Brief von Robert Seiler, datiert Anfang Oktober 1938, geschrieben auf Schulpapier mit Häuschen aus blauen Linien und breitem, gelochtem Rand, las Ruth viele Male durch. Die Seiten waren gefüllt mit einer klaren, kantigen und leicht nach hinten geneigten Schrift – aus den Zeilen las sie Freude über ihren Brief, aber auch Verständnis für ihr Anliegen. Sie schrieb umgehend zurück:

Werter Genosse. Besten Dank für Deinen interessanten Brief. Er gab mir allerlei gute Anregungen. Auch mich würde es freuen, Dich einmal mündlich zu sprechen. Wenn Du an diesem Sonntag frei bist, so könnte ich mit dem Velo nach Kleindietwil oder Madiswil kommen. Du schreibst, die Bauern blieben in ihrem Denken und Fühlen hinter ihrer ökonomischen Lage zurück. Ich glaube, das rührt besonders daher, weil die Bauern, je ärmer sie sind, mit der Arbeit so überlastet sind, dass sie gar keine Zeit finden, sich mit irgendwelchen Problemen zu beschäftigen. Ich wäre froh, wenn Du mir erklären würdest, was Du überhaupt unter dem revolutionären Kleinbürgertum verstehst. Ich hatte bis jetzt nicht die Gelegenheit, mich politisch zu schulen. Ich habe mich mehr mit praktischen und kleinen täglichen Fragen auseinandergesetzt. Ich glaube, die Frage der Religion spielt bei der Arbeit unter den Bauern eine grosse Rolle. Sie sind zum grössten Teil sehr feinfühlig. Da braucht es unsererseits sehr viel Takt. Doch darüber ein andermal später. Sei so gut und teile mir mit, ob Du am 23. Oktober, nachmittags, frei bist, damit ich mich einrichten kann. Mit frohem Kampfgruss, Ruth Schwab, Gärtnerin.

Ruth traf sich mit Robert Seiler am Burgäschisee bei Herzogenbuchsee. Sie wanderten zusammen durch den Wald. Ruth fiel sofort das Strahlen in Roberts Augen auf, wenn er sie ansah. Diese Blicke lenkten sie für Momente von ihren ernsten Diskussionen ab. Wenn sie ihn beim Gehen zufällig streifte, wärmten die Berührungen wie Sonnenstrahlen.
WOZ, 18. Oktober 2007 (Vorabdruck)
A Bulletin, 18. Oktober 2007
Der Bund, 20. Oktober 2007
Berner Zeitung, 1. November 2007
A Bulletin, 8. November 2007
Freiburger Nachrichten, 10. November 2007
Radiomagazin, 22. November 2007
Schweizer Mitteilungen (Beilage zum Goetheanum), 30. November 2007
Unsere Welt (Zeitung der Schweizerischen Friedensbewegung), 1. Dezember 207
Der Schulkreis, 1. Dezember 2007
Tages-Anzeiger, 8. Dezember 2007
Anzeiger von Kerzers, 11. Januar 2008
Der Bund, 14. Januar 2008
P.S., 17. Janauar 2008
Der kleine Bund, 26. Januar 2008
Curaviva, 1. Februar 2008
Das Goetheanum, 8. Februar 2008
Der Bund, 28. Februar 2008
Der Murtenbieter, 29. Februar 2008
Frauenwelt Weltenfrau, Nummer 33/2008
Urner Wochenblatt, 27. August 2008

«Karoline Arn hat ein spannendes und nachdenkliches Buch geschrieben über ein spannendes und nachdenklich stimmendes, ein achtunggebietendes Leben. es gelingt ihr, was sich Ruth Seiler-Schwab selbst zu Eigen gemacht hat: Zuerst das Gegenüber zu sehen und dann sich selber, dem Menschen zuzuhören und an der eigenen Meinung vorest nicht interessiert zu sein. Ein authentischer Lebensbericht, nachvollziehbar geschrieben mit viel Empathie, mit Abstand und Nähe.» Unsere Welt

«Dieses Buch will ich nicht besprechen; ich möchte es Ihnen ans Herz legen.» Der Schulkreis

«Man erfährt viel über eine starke Frau, die ihrer Zeit weit voraus, aber keine Feministin im eigentlichen Sinne war. Eine warmherzige Frau voller Liebe, die einige Schicksalsschläge auszuhalten hatte und die viele Entwicklungen durchmachte.» Anzeiger von Kerzers

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