Schöner leben, mehr haben

Schöner leben, mehr haben

Die 50er-Jahre in der Schweiz im Geiste des Konsums

Mit Texten von Beatrice Schumacher, Adrian Scherrer, Edzard Schade, Samuel Mumenthaler, Benedikt Loderer, Georg Kohler, Elisabeth Joris, Gianni D'Amato, Thomas Buomberger / Herausgegeben von Thomas Buomberger, Peter Pfrunder

268 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, gebunden, 116 Duplexfotografien
Dezember 2011
SFr. 54.–, 58.– €
sofort lieferbar
978-3-85791-649-6

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In den 50er-Jahren entstand, was uns heute vielfach beglückt und bedrückt. Kühlschrank und Staubsauger hielten Einzug auch in Arbeiterhaushalte, die Zahl der Autos explodierte, der Ruf nach Autobahnen folgte. Die Frau gab sich modern, obwohl sie meist noch dem Gatten zudiente und aufs Stimmrecht wartete. Im Rock’n’Roll feierte die Jugend ein neues Lebensgefühl, das sich später in der Kulturrevolution der 60er-Jahre manifestierte. Die 50er-Jahre waren eine Zeit des Aufbruchs, in den Konsumrausch und die Mobilität. Sie gelten aber auch als miefige, verklemmte Zeit, geprägt von Autoritäten in Kirche, Armee und Schule. Antikommunismus und Kalte- Kriegs-Hysterie stempelten Oppositionelle zu Staatsfeinden. Neun Autorinnen und Autoren schildern die dominierenden Themen und die Ambivalenz dieses langen Jahrzehnts von 1948 bis 1964, das in seinen Auswirkungen bis heute unterschätzt wird. Zahlreiche dokumentarische Fotos der bekanntesten Fotografen dieser Zeit bilden mit den Texten eine inhaltliche Einheit.

Elisabeth Joris

Elisabeth Joris

Elisabeth Joris, geboren 1946 in Visp, Studium der Geschichte in Zürich, Mittelschullehrerin und freischaffende Historikerin, Forschungsschwerpunkt Frauen- und Geschlechtergeschichte. Sie veröffentlichte eine Vielzahl von Publikationen zu den Themen Frauenorganisationen, Frauenbildung und Frauenarbeit und beteiligte sich an Sendungen von Radio und Fernsehen DRS zur Alltags- und Frauengeschichte. Zudem Vortragstätigkeit und Teilnahme an Diskussionen zu Wirtschaft, Politik und Geschichte. Elisabeth Joris arbeitete auch im Bereich Theater und Ausstellungen mit und ist Mitbegründerin von «Olympe. Feministische Arbeitshefte zur Politik».

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Peter Pfrunder

Peter Pfrunder, geboren 1959 in Singapur, aufgewachsen in der Schweiz. Studierte Germanistik, Europäische Volksliteratur und englische Literatur in Zürich, Montpellier und Berlin. 1995 bis 1998 Co-Leiter des Forums der Schweizer Geschichte / Schweizerisches Landesmuseum, Schwyz. Seit 1998 Direktor und Kurator der Fotostiftung Schweiz in Winterthur. Lebt in Zug. Zahlreiche Veröffentlichungen und Ausstellungen zur Schweizer Fotografie, u. a. «Theo Frey, Fotografien», «Gotthard Schuh – Eine Art Verliebtheit», «Schweizer Fotobücher 1927 bis heute – Eine andere Geschichte der Fotografie».

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Konsumglück, Kalter Krieg und Zweite Moderne
Die Schweiz und die Fifties
Von Georg Kohler

Traumreisen und Alpträume
Wie Auto und Strassenbau in den 50er Jahren zu einer Selbstverständlichkeit wurden
Von Thomas Buomberger

Coolness (at) home
Der Kühlschrank und die eiskalte Revolution am heimischen Herd
Von Beatrice Schumacher

Dezenter Sexappeal – eklatante Diskriminierung
Weiblichkeits- und Männlichkeitsmythen in Zeiten von Textilrevolution und Kaltem Krieg
Von Elisabeth Joris

Medien zwischen Idealismus und Kapitalismus
Von einem nicht ganz erfolglosen Kampf gegen Kommerzialisierung und Boulevardisierung
Von Edzard Schade und Adrian Scherrer

In 80 Schlagern um die Welt
Schweizer Populärmusik in den 50er Jahren
Von Samuel Mumenthaler

Im Armeereformhaus
Das Sturmgewehr 57 als Fundament der Armee
Von Benedikt Loderer

Die durchleuchtete, unsichtbare Arbeitskraft
Die italienische Einwanderung in die Schweiz in den 50er Jahren
Von Gianni D'Amato

Die Fassade beginnt zu bröckeln
Schweizer Fotografie der 50er Jahre zwischen Kontinuität und Aufbruch
Von Peter Pfrunder

Autorinnen und Autoren

 

Konsumglück, Kalter Krieg und Zweite Moderne

Die Schweiz und die Fifties

Die 50er Jahre sind die Zeit, da die heutige Grosselterngeneration jung war. Im Kinder- und Jugendalter erlebte sie die Epoche des Neuanfangs nach dem Krieg; begünstigt von einem kollektiven Schicksal, das ihre eigenen Eltern ungleich härter belastet hatte. Während die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts (auch in der insgesamt unversehrt gebliebenen Schweiz) ein Zeitalter der Schrecken, der Not und der Zukunftsfurcht gewesen war, begann nach der Katastrophe des Hitlerreiches jener bald siebzigjährige europäische Frieden, der uns mittlerweile (vielleicht allzu) selbstverständlich geworden ist.

Was im Rückblick oft harmlos-idyllische Züge annehmen mag – diese Polizischt Wäckerli-Biederkeiten, der kleinbürgerliche Stolz auf den eigenen Stewi-Ständer, die landesweiten Trauerfeiern zu Ehren des toten Generals (Henri Guisan starb 86-jährig am 7. April 1960), das folgenlose Entsetzen der Erziehungsberechtigten über Bill Haley, Elvis und den zum Comic-Helden gewordenen Tarzan usw. – das verweist in Wahrheit auf eine Periode tiefer Ambivalenzen und Widersprüche: Die 50er Jahre oszillieren zwischen gelungener Zivilisierung gesellschaftlicher Grosskonflikte und der Macht dumpfer Vorurteile, zwischen der Realisierung möglich gewordener Lebenschancen und deren institutionalisierter Unterdrückung. Eine Kultur der Verbote, des Mittelmasses, der Ausschliessung jedweder Alterität ist der düstere Schatten dieser Zeit.

Wer sich mit den 50er Jahren näher befasst, kann darum mit Leichtigkeit Belege für die verschiedensten und sehr gegensätzlichen Strömungen entdecken. Was nichts daran ändert, dass sie trotz allem einen jener weltgeschichtlich raren Momente verkörpern, wo sich die Hoffnung auf menschenmögliches Glück – oder nüchterner: auf Frieden und wachsenden Wohlstand – für die Mehrzahl der Menschen in unserem Land erfüllen konnte.

Das Zutrauen zum Glück des Mehr-Habens

Die Rede von den «langen» 50er Jahren hat sich aus guten Gründen eingebürgert. Denn die Spanne von 1945 bis etwa 1965, von der Beendigung der hoheitlich dominierten, nationalen Kriegswirtschaft nach der Kapitulation des Dritten Reiches bis zur Expo 64 in Lausanne, lässt sich unter vielen Gesichtspunkten als Einheit von konträren, aber kontinuierlich wirksamen Tendenzen erfassen.

Aus der Perspektive der Mentalitätsgeschichte sind es zuerst das stabile Zutrauen zum Glück des Habens und Mehr-Habens, die Chancen des Konsums, die Komfortversprechen der florierenden Marktwirtschaft und die massenhafte Erschwinglichkeit ihrer Güter, die die Epoche geprägt haben. Kühlschrank, Auto und Fernsehempfänger sind diese Ikonen gut gelingender Durchschnittlichkeit. Die – wie der Soziologe Helmut Schelsky sie nannte – «nivellierte Mittelstandsgesellschaft » der Nachkriegsjahrzehnte findet in ihnen den deutlichsten Ausdruck und eine, freilich nie ganz perfekte, Vollendung.

Der vorliegende Band räumt den alltagshistorischen Aspekten deshalb so viel Platz ein, weil sie den für die Fünfziger typischen Fortschritt nach Schlaraffia markieren. So kann in der Darstellung auch die Gegenfigur zum öfter gezeigten Grossbild der «bleiernen Zeit» erscheinen. Und so kann auch begründet werden, weshalb die Fifties, mindestens im Fall der Schweiz, alle Irritationen durch Kriegs-, Atom- und Krisenängste überblendend, als eine Epoche kollektiver, ideologischpolitischer Konkordanz zu charakterisieren sind.

In sie fällt ja ebenso die Einführung der bundesrätlichen «Zauberformel», die erst nach einem halben Jahrhundert ihre Unbestreitbarkeit eingebüsst hat, wie die parteienübergreifende Bejahung der bewaffneten Neutralität zwischen NATO und Warschaupakt. Ohne Zweifel begriff man letztere als den Angelpunkt jeder Form von nationaler Autonomie und Souveränität. Was im Grunde jedoch nicht weniger als eine selbstbewusstseinsstärkende, allgemeine Lebenslüge war. Denn die meisten wussten auch, dass die Sicherheit und die Wohlfahrt des Landes von seiner Einbindung in den Westen und dessen US-geführtem Militärbündnis, dem Nordatlantikpakt, abhingen.

Der Glaube an das Erfüllbare im Versprechen der Dinge, vermischt mit der ständigen Ahnung, dass der atomare Krieg nichts Unmögliches ist, beides beherrscht vom reichlichen Vertrauen in die Macht und das Wohlwollen Amerikas und von daher überzeugt, dass einem – hier bei uns, im Westen – niemand den Hausgarten streitig machen wird: in dieser Weise erinnere ich mich meiner privatpolitischen Grundstimmung der 50er Jahre. Man darf sie die damals verbreitete Empfindungslage nennen. Darum jetzt die kleine symptomatische Anekdote, die mir beim Nachdenken über diese Zeit in den Sinn gekommen ist:

Kirschsteinspucken

Mein Freund damals hiess Res, Res Stalder. Er war vom Nachbarhaus und zwei Jahre älter als ich. Also so viel älter, dass er mich unmöglich für seinesgleichen halten konnte. Für ihn war ich ein Lückenbüsser; brauchbar, wenn niemand sonst da war für eine ordentliche Tat oder ein richtiges Spiel. Ich war sieben, Res neun. Von Res lernte ich ziemlich viel. Zum Beispiel, warum die Schweiz vor den Russen keine Angst haben musste, obwohl diese jetzt die Atombombe hatten. Deshalb nämlich, weil «die Amerikaner», und das bedeutete «wir», eben nicht bloss die Atom- und Wasserstoffbombe, sondern neuerdings auch «die Kobaltbombe» besässen.

(...)
Tages-Anzeiger, 16. Dez. 2011 (Bildstrecke)
Schweizeri Feuilleton-Dienst, 3. Januar 2012
Tages-Anzeiger, 7. Januar 2012
NZZ am Sonntag, 29. Januar 2012
Schweizer Familie, 2. Februar 2012
active live, Februar 2012
Neue Zürcher Zeitung, 21. Februar 2012
Schweizer Radio DRS 1, 23. Februar 2012 Swisstipp
Programmzeitung Basel, Februar 2012
Basler Zeitung, 18. März 2012
DRS2 aktuell, Freitag 23. März 2012
kasseler fotobuchblog, 31. März 2012
Schweizer Revue Nr. 2, April 2012
Bilanz 06/2012
SonntagsZeitung, 29. April 2012
Vision – Schweizer Hochschulzeitung, Ausgabe Frühling 2012
VPOD-Zeitung, Nr. 4, 13. September 2012
Rundbrief Fotografie, Nr. 19 (2012)

«Bei solch einem Riesenthema ist die Gefahr gross, sich in der Masse des Bildmaterials zu verlieren und sich in seiner Not dadurch zu retten, möglichst viel anzuhäufen. Nicht so hier. Die umsichtige, sich aufs Wesentliche konzentrierende Bildauswahl ist geradezu bestechend. Man dokumentiert nicht bloss, man lässt (meist) zwei treffend arrangierte Bildpaare auf Doppelseiten sich gegenseitig erklären.» kasseler fotobuchblog

«Mal mehr, mal weniger unterhaltsam ackert sich ‹Schöner Leben› durch die 50er-Jahr in der Schweiz und lässt sich weder das Aufkommen des Fernsehers noch die Geistige Landesverteidigung thematisch entgehen. So entsteht eine detaillierte Zusammenfassung einer Schweiz, die sich viele von uns nicht mehr vorstellen können.» Tages-Anzeiger

«In neun lesenswerten Essays fächert der Band ein Panorama jener Jahre auf: Eine glänzende kulturgeschichtliche Analyse des Phänomens Kühlschrank respektive moderner Häuslichkeit von Beatrice Schumacher fehlt darin so wenig wie jene des damals überbordenden Mythos Auto und des Strassenbaus durch Thomas Buomberger.» NZZ am Sonntag

«Dieses Buch gibt einen spannenden Einblick in ein spannungsvolles Jahrzehnt. Die Texte sind klug, die Schwarz-Weiss-Fotografien als Zeitdokumente sind zu einer eindringlichen Bildergeschichte kombiniert. Und beides, Text- und Bildmaterial, machen deutlich, wo unsere westliche Überflussgesellschaft ihren Ursprung hat.» DRS2 aktuell

«Ein Foto- und Textband bringt die Zivilisation der fünfziger Jahre zur Geltung. Höherer Lebenskomfort und gesellschaftliche Bewahrung, einzelne Aufbrüche und das Klima des Kalten Kriegs ergeben ein spannendes Bild. Der in mehrfacher Hinsicht ansprechende Band konzentriert sich auf gesellschaftlich-alltagskulturelle Phänomene; Volkswirtschaft und Politik bleiben im Hintergrund» Neue Zürcher Zeitung

«Das Buch erzählt spannungsvolle Alltagsgeschichten, die zwar weit zurück liegen, aber mit der heutigen Zeit untrennbar verzahnt sind. Dank seiner historisch-kritischen Perspektive trägt das Buch dazu bei, die Gegenwart besser zu verstehen.» Schweizer Feuilleton-Dienst

«Vielseitiger Einblick in eine aufregende Zeit.» Schweizer Familie

«Der reich bebilderte Band lässt Erinnerungen aufleben.» active live

«In neun Kapiteln werden die rund zwei Dekaden zwischen Kriegsende und der Expo 1964 mit profunden Texten und thematisch passenden Fotostrecken beleuchtet.» ProgrammZeitung

«Mit einem wunderbaren Gespür für den Geist jener herausragenden Zeit verweben die Herausgeber von ‹Schöner leben, mehr haben› Bild und Text zu einer bunten Dokumentation der Schweiz der 50er-Jahre. Die Fotos erscheinen in traditionellem Schwarzweiss, die Aussage des Werkes jedoch ganz und gar nicht. Hier gehen Wiedererkennung und Neuentdeckung Hand in Hand.» Basler Zeitung

«Hervorragende Beiträge namhafter Autoren sowie stimmungsvolle Fotos lassen jene Zeit aufleben, die nah und gleichzeitig unwirklich fern erscheint.» Vision

«Schöner leben, mehr haben –Die 50er-Jahre in der Schweiz im Geiste des Konsums, 155 Seiten Text auf blauem Papier, 114 Seiten Bilder auf weissem Papier, unprätentiös im Format A4 und darin kompakt und präzis die Schweiz, in der die Nachkriegsgeneration aufgewachsen ist.» VPOD-Zeitung

«Ein hinreissendes Buchkonzept, perfekt umgesetzt.» Rundbrief Fotografie

«Eine der wenigen wirklich gelungenen Verbindungen von Text und Bild.» Rundbrief Fotografie

«Selbstverständlich gut gedruckt und gestaltet, eine Freude anzusehen – und wie sein Thema etwas aus der Zeit gefallen. Die oft beschworenen langen 1950erJahre sind inzwischen zu langen Jahren der Widerentdeckung geworden, doch hier erfahren sie eine echte Würdigung.» Rundbrief Fotografie

Fotos aus den 1950er und 1960er Jahren

Die Bilder sind urheberrechtlich geschützt: Keine Verwendung irgendwelcher Art ohne Genehmigung des Verlags.

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Hans Baumgartner: Holländisches Paar auf Ferienreise, 1961

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Hans Baumgartner: Autofriedhof, 1962/63

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Rob Gnant: Hauptbahnhof Zürich 1964

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Theo Frey: Töchternschule Gottfried Keller, Zürich Hottingen, 1950er Jahre

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Rob Gnant: Waffenlauf, Frauenfeld, 1958

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Achille Weider: Werbung für Duo, 1950er Jahre

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