Am Ball ist immer der Erste
Wolfgang Bortlik

Am Ball ist immer der Erste

Gedichte von Fussball und so

Mit Illustrationen von Anna Baumann / Mit einem Vorwort von Manfred Papst

112 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
März 2006
SFr. 26.50, 16.80 €
vergriffen
978-3-85791-498-0

Schlagworte

Literatur Lyrik
     

Seit langem schreibt Wolfgang Bortlik Sportgedichte und seit drei Jahren veröffentlicht er jede Woche eines in der «NZZ am Sonntag». Gelegentlich trägt er sie auch in den Restaurants der Stadien und anderswo seiner Fangemeinde vor. Die vorliegende Auswahl mit Schwerpunkt Fussball versammelt die besten aus jenen Gedichten, die nicht den tagesaktuellen Dramen und Possen im und neben dem Fussballplatz verpflichtet sind.
In Oden und Elegien, in Sonett- und Liedform leidet der Fan, fliegt ein Pass in die Pampa, nölt Herr Blatter und grölt das Publikum. Wolfgang Bortlik erweist sich als intimer Kenner der aktiven wie passiven Fussballleidenschaft. Die Seelennöte des letzten aufrechten Fans, des traurigen Trainers, des ekstatischen Torschützen wie des geprügelten Schiris hat er alle durchlitten. Und wenn sie sich im antiken Versmass mit Hölderlin, im jambischen Dreiheber mit Matthias Claudius verbinden, gewinnen wir die Einsicht, dass Fussball schon eine elementare Gewalt war, bevor es ihn überhaupt gab.

Wolfgang Bortlik
© Werner Rolli

Wolfgang Bortlik

Wolfgang Bortlik ist 1952 in München geboren und mit 13 Jahren ins Schweizer Mittelland gezügelt, woran er erst ziemlich gelitten hat — aber das wird später einmal belletristisch behandelt.

Im Laufe der Zeit Gewöhnung an die Schweiz, ja sogar zarte Gefühle für das sozial gut abgefederte Ländchen. Matura in Aarau, dann Studium der Geschichte, der Publizistik und anderem in München und Zürich. Abgang ohne Abschluss. Stattdessen Lohnarbeit als Buchhändler, nebenher Herausgeber der anarchistischen Untergrundpostille «Der Alpenzeiger» und Versuche als Verleger, Lektor, Übersetzer, Literaturkritiker sowie Musiker aus dem Geiste von 1977.

Seit 1993 in Basel wohnhaft, verheiratet, drei Kinder und zuvörderst als Hausmann tätig. Um nicht zu verblöden vielfältige literarische Arbeit: wöchentliche Kolumnen und Sportgedichte, Satiren, Rezensionen. Mehrere CDs mit Wort und Musik.

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Aus dem Vorwort von Manfred Papst

(...) Das Besondere an Bortliks Gedichten ist, dass sie zwei Welten zusammenbringen, die eigentlich nicht zusammenpassen: Die Welt des Sports – meistens des Fussballs — und die Welt der «klassischen» deutschen Lyrik, wie sie viele von uns aus dem Schulunterricht kennen, etwa aus dem hellgrauen Ziegel «Deutsche Gedichte» von Echtermeyer/Wiese. Als Lyrik-Enzyklopädist würde Bortlik sich nicht bezeichnen. «Ich komme von Wilhelm Busch her», sagt er bescheiden, aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Seine Gedichte füllen ganz verschiedene Vorlagen mit sportlichem Inhalt. Goethe, Hölderlin und Matthias Claudius, Eichendorff und Heine, aber auch Rilke hat er sich schon vorgenommen. Auf allzu Entlegenes ist er nicht aus: «Der Witz ist ja, dass die Leute das Vorbild erkennen oder zumindest erahnen», sagt er. Wer die Verse «In jüngeren Tagen war ich des Abends froh / An dem der Fussball rollte. Doch nun zuviel / Des runden Leders raubt mir Ruhe ...» liest, kann vielleicht nicht auf Anhieb sagen, dass es sich um den Beginn einer alkäischen Odenstrophe handelt, aber er merkt doch, dass da ein hoher, antikisierender Ton ins Stadion kommt, und wenn er «Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte / Der sich im allerkleinsten Kreise dreht» liest oder hört, heult er begeistert auf: Das kennt er, das ist Rilkes Panther-Gedicht, das hat er in der Schule auswendig lernen müssen. Am exaktesten ist die klassische Form wohl in Matthias Claudius' Nachtlied getroffen, das bei Bortlik «Saisonbeginn» heisst und das man sogar singen kann.

Die Verschränkung von Hochkultur und Sport hat Bortlik schon früh fasziniert. Und in beiden Sphären kennt er sich aus. «Wenn ich nicht gerade Sportgedichte schreibe, fahre ich meine drei Kinder zu Sportanlässen»: So umschreibt der Autor und Hausmann seinen Alltag. Selbst spielt er Fussball in einer Veteranenmannschaft. Seit er denken kann, ist er ein Sportfan gewesen. Nur vor wenigen Disziplinen, etwa dem Eiskunstlaufen, kommt sein Enthusiasmus zum Stillstand. Als Bub hat er jede freie Minute den Ball ans Garagentor seiner Grossmutter gebolzt.

Aufgewachsen ist der Hüne mit Jahrgang 1952 in einem Bauerndorf südlich von München, beim TSV 1880 München Ost – nicht zu verwechseln mit dem berühmten Verein 1860 München — hat er angefangen Fussball zu spielen. Mit 13 ist er in die Schweiz gekommen, ins Niemandsland zwischen Aarau und Luzern. «Ich habe innerhalb eines halben Jahres Schweizerdeutsch gelernt, um nicht unnötig aufzufallen», erinnert er sich, «und sofort wieder Fussball gespielt, um akzeptiert zu werden.»

Dem Sport ist Bortlik auch in den bewegten WG-Jahren treu geblieben. Auf einem kleinen portablen Fernseher hat er heimlich die Fussball-WM geschaut, die seinen Kommilitonen als kapitalistisch oder imperialistisch galt. Dass er dann den Mut fasste, Fussball nicht nur zu spielen und zu gucken, sondern auch zu besingen, hat mit dem Schriftsteller Ror Wolf zu tun. «Er hat mir den Mut gegeben, in Versen über Fussball zu schreiben», sagt er. «Wolfs Weltmeisterschaftsgedichte und Endspielstanzen sind für mich ganz grosse Dichtkunst.» ...

Lamento | Elfmeter | 1/128-Finale im Uefa Cup

Lamento

Fussball ist ein Lebensfaden
Ohne ihn, was tät man da?
Zwickt auch mancher Altersschaden
Hämatom etcetera
Morsche Knochen, Krampfeswaden
Zerrung, Dehnung, Risse, pah!


Salben, Öle applizieren
Stützverbände um das Knie
Ordentlich die Hüfte schmieren
Binden, Pflaster arrangieren:
Heute gilt es oder nie!

Einmal noch den Fallrückzieher!
Einmal noch ein guter Lauf!
Au, das geht noch fast wie früher!
Taumeln, fallen, wieder auf …

Einmal noch ein Pässchen lenken!
Ball her, schliesslich steh ich frei!
Einmal noch das Ding versenken …

Einmal noch ein Tor sich schenken!
Und dann kommt der Tod herbei …

Einmal noch …

 

Elfmeter

Ein Ball, ein Spiel, ein Kampf, ein Griff
Ein Schrei, ein Fall, Gewälz, ein Pfiff
Geschimpf, ein Nein, ein Ja, ein Chor
Der Gelb, die Punkt, das Schuss, kein Tor!

 

1/128-Finale im Uefa-Cup

Prilep gegen Jerewan
Allianssi — Lenkoran
Aigaleo contra Zlin
Baku muss nach Bangor hin
Heisst es Itrottarfelag?
Die erwartet Aschtarak
Und Etzella Ettelbrück
Muss zum IB Keflavik

Neman Grodno gegen Cluj
Entenhausen — Drava Ptuj
Birkirkara spielt sehr wohl
Gegen Sheriff Tiraspol
Myllykosken Pallo dann
Tritt bei Teuta Durrës an
Varteks Varazdin, da schau
Fährt ins nahe Chisinau

Plock bei Minsk, ein schwerer Strauss
Lovetsch spielts in Ashdod aus
Domagnano versus Rhyl
Ventspils gegen Bätziwil
Hintertupfing will den Kampf
Macht Andorra richtig Dampf
Mahagonny, Gopfridstutz
Muss ins fürstliche Vaduz

Wigan gigan Mainz 05
Almelo spielt ohne Strümpf'
Narva — Santa Julia
Und so fort etcetera

NZZ am Sonntag, 2. April 2006
zueritipp, 6. April 2006
St. Galler Tagblatt, 3. Juni 2006
Börsenblatt Online, 14. Juni 2006
Tagblatt der Stadt Zürich, 29. Juni 2006

«Der schön gestaltete Band kompiliert das Beste aus Bortliks Sport-lyrischem Schaffen, Manfred Papst, Kulturchef der ‹NZZ am Sonntag›, erhellt in einem vergnüglichen Vorwort die Zusammenhänge zwischen Kunst, Sport und lyrischer Tradition; Anna Baumann hat das Kompendium mit luziden Illustrationen versehen. Alles in allem eine rundum geglückte Angelegenheit. Wir danken und gratulieren.» NZZ am Sonntag

«Da läutet er etwa den ‹Saisonbeginn› mit Matthias Claudius ein oder schickt Rilke zusammen mit dem Brasilianer Adriano auf den Platz. Heraus kommen oftmals grossartige Ballgeschichten im mal mehr, mal weniger bekannten Poem-Trikots.» Züritipp

«Wolfgang Bortlik, der stets ironiebereite Romanautor und bekennende Fussball-Fan aus Basel, stellt sich nun als chancenreicher Anwärter auf die fussball-literarische Nachfolge von Ror Wolf und Ludwig Harig vor. (...) Das hat weit mehr Witz als so manche kurzfristig-lokalpatriotische Erhitzung über helvetische Fussball-Schlachten.» Basler Zeitung

«Ein grosser Fussballdichter!» Tagblatt der Stadt Zürich

«Stets launig» St. Galler Tagblatt
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