«Dieser Krieg ist uns zum Heil»
Christine Odermatt (Hg.)

«Dieser Krieg ist uns zum Heil»

1914 – Wortgefechte in Texten der Zeit

Übersetzt von Maria Hoffmann-Dartevelle, Thomas Schlachter

Fundus. Schriften Museumsgesellschaft und Literaturhaus Zürich [2]

184 Seiten, Klappenbroschur, 14 Abbildungen
Mai 2014
SFr. 29.80, 29.80 €
vergriffen
978-3-85791-738-7
1. Weltkrieg: Pamphlete und Gegenpamphlete im O-Ton

'Dieser Krieg ist uns zum Heil' will keine weitere nachträgliche Erzählung und Deutung des Kriegsausbruchs liefern, sondern Zeugnisse aus der Zeit selbst sprechen lassen. Sie sind zeitgenössichen Schriften entnommen, überliefert in der Bibliothek der Museumsgesellschaft Zürich. Wie stellte sich einem breit interessierten Leser in der neutralen Schweiz der Ausbruch des Ersten Weltkriegs dar? Mehr als je zuvor war dieser Krieg von Anfang an auch ein 'Krieg der Worte', also der Propaganda. In rund fünfzehn Auszügen aus deutschen, französischen und englischen Publikationen der Jahre 1914/15 werden die Wortgefechte zwischen den Parteien, die sich gegenseitig Barbarei vorwarfen, sichtbar. Und dazwischen ertönen die mahnenden Worte der wenigen von der allgemeinen Kriegshysterie nicht Angesteckten und der Pazifisten. Und schliesslich die ersten, schonungslos nüchternen Berichte der Soldaten von der Front: bittere Erfahrungen gegen euphorische Propaganda.

Christine Odermatt
© Limmat Verlag

Christine Odermatt

Christine Odermatt, geboren 1986, hat Allgemeine Geschichte, Rechtswissenschaften und Politik an der Universität Zürich studiert. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Museum und am Völkerkundemuseum in St. Gallen an einem Ausstellungsprojekt zum Ersten Weltkrieg.

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Maria Hoffmann-Dartevelle

Maria Hoffmann-Dartevelle

1957 in Bad Godesberg geboren, studierte Romanistik und Geschichte in Heidelberg und Paris. Seit Mitte der Achtzigerjahre u.a. als freiberufliche Übersetzerin tätig. Übersetzte neben Sach- und Kinderliteratur Romane, Essays, ein Hörspiel und Liedertexte französischer, Schweizer, spanischer und südamerikanischer Autoren, darunter René Crevel, Alberto Giacometti, Marcel Lévy, Joseph Bialot, Michel Quint, Tito Topin, Daniel de Roulet, Amélie Plume, Noëlle Revaz, Pascal Rebetez, Rafael Alberti, Manuel Altolaguirre, César Aira, Rubén Blades, Silvio Rodriguez, Fito Paez.

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Vorwort

Bruno Schoenlank
Militärzug

Auguste Gauvain
«Österreich agiert hinter den Kulissen, während Deutschland auf der Bühne das Publikum unterhält»

Hermann Bahr
«Uns ist das deutsche Wesen erschienen»

Werner Sombart
«In dem sicheren Gefühl, das Gottesvolk zu sein»

Louis Dumur
«In allem und überall zeigt sich Deutschlands Abhängigkeit vom Ausland»

Paul Oskar Höcker
«Es gilt, mit aller Strenge vorzugehen»

Martin Lang
«So hatte ich mir den Krieg nicht vorgestellt»

Albert Leopold
«Wir hassen euch nicht, ihr seid uns fremd und gleichgültig»

Ilka Künigl-Ehrenburg
«Wenn Przemysl fällt, das ist jedem von uns der Stoss ins Herz»

Marcel Ernest Béchu
«Manchmal kann man auch vergessen, dass man hier ist, um zu töten»

Arthur Clutton-Brock
«Soldaten waren nicht länger Soldaten, sondern Menschen»

Romain Rolland
«Keine Rache, keine Repressalien!»

Annette Kolb
«Hätte man nur zehntausend hetzerische Journalisten zusammengetrieben und gehenkt»

Richard Grelling
«Wehe den Herrschern, die die Stimme der Völker nicht hören»

Paul Dubois
«Wir sind neutral, weil wir pazifistisch sind»

Hugo Ball
«Man lebt in Zürich: Ländlich unter Morphinisten»

Vorwort

«Ein französischer Politiker erzählte kürzlich nach einer Reise in die Schweiz, die Buchhandlungen in den neutralen Ländern seien wahre Schlachtfelder: Auf einer Seite erheben sich wie furchterregende Festungen schwere Stapel mit dicken deutschen Wälzern, Traktaten und zahllosen Broschüren; auf der anderen Seite sammeln sich Bataillone von französischen Schriften, bereit zum Angriff. Und von den Sympathien des Buchhändlers für die Mittelmächte oder die Triple-Entente hängt ab, ob die deutsche Festung uneinnehmbar wirkt oder der französische Ansturm gerade zu triumphieren scheint.»1

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs setzte nicht nur eine gewaltige, neuartige Militärmaschinerie in Gang, auch eine wahre Flut von Propagandaschriften, Frontberichten, Romanen und Gedichten brach über kriegführende und neutrale Staaten herein, wie die obige Beobachtung, die der belgische Schriftsteller Louis Dumont-Wilden 1915 festhielt, eindrücklich zeigt. Die Verlage in den kriegsbeteiligten Ländern erlebten eine beispiellose Hochkonjunktur; die Verkaufszahlen schlugen Rekorde. Auch in der Schweiz kam es zu intensiven schriftstellerischen und verlegerischen Aktivitäten. Die milderen Zensurbestimmungen und die engen Beziehungen der Schweiz zu beiden Kriegsparteien boten propagandistischen und pazifistischen Autoren die Möglichkeit, ihre Texte mehr oder weniger unzensiert zu breiter Wahrnehmung zu bringen.

Angesichts der Menge und Vielfalt des über den Krieg veröffentlichten Materials, der breiten gesellschaftlichen Teilnahme an Produktion und Rezeption der Kriegsmedien, der Schärfe der Wortgefechte und der Professionalität der staatlichen Agitation gilt der Erste Weltkrieg auch als erster moderner Medien- und Propagandakrieg. Mit dem militärischen Kampf ginge «ein zweiter, stiller, aber nicht minder erbitterter Kampf einher: der Krieg der Geister»2, schrieb 1915 der deutsche Verleger Hermann Kellermann. Hatte der Wissenschafts- und Kulturbetrieb vor dem Krieg eine Internationalisierung erfahren, so brach nun die Einheit der europäischen intellektuellen Elite erschreckend schnell zusammen.
mug.odermatt.kino

Zahlreiche Zeugnisse dieser geistigen Kriegsführung fanden ihren Weg auch in die Bibliothek der Museumsgesellschaft Zürich. Mehrere Hundert Bücher waren es allein in den Jahren 1914 und 1915, dazu kam eine grosse Auswahl an Periodika. Die Bücher stehen (anders als die aus Platzgründen nur noch punktuell erhaltenen Zeitschriften) alle noch im Bibliotheksmagazin. Dieser umfangreiche Bestand ist damit geeignet, der Frage nachzugehen, wie sich das erste Kriegsjahr einem interessierten Leser in der neutralen Schweiz im gedruckten Wort präsentiert hat. Die vorliegende Anthologie präsentiert sechzehn Texte und Textauszüge aus diesem Fundus und versucht dadurch, ein zeitgenössisches Bild des Kriegs und insbesondere des Kriegs der Worte zu vermitteln. Die strikte Beschränkung auf Texte der Zeit erfolgt in der Absicht, einen Schritt zurück zu machen hinter alle nachträglichen Erinnerungen, Berichte und Deutungen. Weder die Schreibenden noch die Leserinnen und Leser wussten 1914, was auf sie zukommen sollte. Auch wenn der heutige Leser sein Wissen darüber, was später geschah, nicht einfach ausschalten kann, so kann er doch versuchen, für einen Moment mit den Augen der Zeit zu sehen. Und was er von diesem Krieg der Worte zu sehen bekommt, ist nicht weniger erschreckend und deprimierend als der Krieg selbst.

«Dieser Krieg ist uns zum Heil» will den Krieg der Worte in möglichst vielen Schattierungen und Positionen und damit in seiner ganzen scharfen Widersprüchlichkeit zeigen. Die Texte – sie gehören mit einer Ausnahme zur Sachliteratur – stammen von Autoren und Autorinnen aus Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Österreich-Ungarn und der Schweiz. Zeugnisse der Kriegsbegeisterung stehen neben pazifistischen Manifesten, Frontberichte überzeugter Offiziere neben Schriften einfacher Soldaten, deren Erfahrungen die Kriegsverherrlichung schon bald Lügen strafte. Zeitgenössische Karikaturen aus den Satirezeitschriften «Kladderadatsch» (Berlin), «Le Rire» (Paris) und aus dem Schweizer «Nebelspalter» illustrieren die Texte. Die Karikaturisten unterstützten die nationalen Propagandamaschinerien durch die Konstruktion von Feindbildern. Ihre Werke stellen damit das bildliche Gegenstück der schriftlichen Propaganda dar. Pazifistische Texte finden ihre Entsprechung in den kriegskritischen Darstellungen des «Nebelspalter».

Im Folgenden werden die wichtigsten Wortgefechte anhand von Zitaten aus Publikationen der Jahre 1914/15 – die wie die genannten Satirezeitschriften alle in der Bibliothek der Museumsgesellschaft zu finden sind – kurz nachgezeichnet.

(...)

Besprechungsdienst Bibliotheksservice, 7. Juli 2014
Friedenszeitung, Juni 2014
tageswoche.ch, Blogs listomania, 30. August 14


 

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