Grand Hotel Excelsior
Meinrad Inglin

Grand Hotel Excelsior

Roman

Mit einem Nachwort von Felix Müller

Meinrad Inglin – Gesammelte Werke in Einzelausgaben [2]

328 Seiten, Leinen
Januar 1989
SFr. 24.–, 26.– €
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978-3-85791-657-1

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Dieser kühne und wohl experimentierfreudigste Roman Inglins erschien 1928 und erlebte innert kürzester Frist drei Auflagen. Er entwirft als Modell eines Grand Hotels der Epoche einen faszinierenden Querschnitt durch die sinnentleerte Scheinwelt unserer Zivilisation. Dem fortschrittgläubigen Hotelier Eugen wird in seinem Bruder Peter eine Alternative von bestürzender Aktualität gegenübergestellt, eine Gegenwelt des Natürlichen, die zwar auf verlorenem Posten kämpft, aber doch immer wieder als Möglichkeit, dem Verhängnis zu entrinnen, wenigstens am Rand aufleuchten darf.

Meinrad Inglin
© Keystone / Photopress Archiv

Meinrad Inglin

Meinrad Inglin (1893–1971) aus Schwyz zählt zu den bedeutendsten Schweizer Schriftstellern. Nach Abbruch einer Uhrmacher- und Kellnerausbildung sowie des Gymnasiums studiert er Literaturgeschichte und Psychologie in Genf und Neuenburg. Arbeit als Zeitungsredaktor und ab 1923 als freier Schriftsteller. Für sein Werk (vor allem Romane und Erzählungen, einzelne Aufsätze, Notizen und eine Komödie) wurde Inglin vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grossen Schillerpreis und dem Gottfried Keller-Preis.

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Ein Mund schlürft Wasser ...

1

Ein Mund schlürft Wasser aus dem Strom, aber der Strom braust ungestört vorüber; eine Hand bricht Blumen aus der Wiese, aber die Wiese treibt unverletzt immerzu Gräser und Blumen hervor; der Tod nimmt einen Menschen aus dem Leben, aber das Leben besteht unübersehbar fort.

Hier liegt ein Mann und stirbt. Er heißt Peter Sigwart und besitzt das große Kurhaus am See, aber es ist gleichgültig wie er heißt und was er besitzt, er fällt verwelkt aus seinem Kreise heraus, und sogleich wird die Lücke sich schließen. Gedämpfter Lärm umbrandet das Zimmer, in dem er liegt. Sein Ohr vernimmt als letztes den bebenden Schall des Gongs, der die Gäste zur Mahlzeit ruft, sein Auge erfaßt mit dem letzten Blick den Menschen, der im Leben an seine Stelle treten wird, dann bricht sein Auge, sein Ohr wird taub, er streckt sich schweigend aus und ist nicht mehr.

In der Mitte des halb verdunkelten Zimmers stehen Verwandte, bald flüsternd, bald stumm, in der peinlichen Spannung von Menschen, die nie an den Tod denken und nun seinen nahenden Griff nach einem der Ihren als ein furchtbares und unverständliches Ereignis empfinden. Sie können den Verfallenen selbst nicht sehen, ein Bruder, zwei Söhne und eine Tochter verdecken ihn, und sie wissen nicht, geschieht das Erwartete jetzt, oder ist es schon geschehen. Doch der kaum erträgliche Augenblick kommt, da Johanna mit zuckenden Schultern auf die Knie fällt, das Haupt über den Bettrand neigt und hemmungslos in die Stille hinein schluchzt. Erschrocken, aufgeregt und ratlos stehen sie da.
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