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Meinrad Inglin, Bettina Inglin-Zweifel

'Alles in mir heisst: Du!' Meinrad und Bettina Inglin

Der Briefwechsel

Herausgegeben von Marzena Gorecka

464 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
September 2009
SFr. 38.–, 42.– €
sofort lieferbar
978-3-85791-668-7

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Diese Briefe dokumentieren die Geschichte der ungewöhnlichen Partnerschaft zwischen dem Schweizer Schriftsteller Meinrad Inglin und seiner Lebenspartnerin Bettina Inglin-Zweifel. Zwanzig Jahre lang lebten die beiden getrennt, die Beziehung durchlief eine ernsthafte Krise. Die Schwierigkeiten führten jedoch nicht zur Trennung, im Gegenteil: Die Beziehung mündete in eine noch rund dreißig Jahre andauernde harmonische Ehe. Eine Neuentdeckung ist sicherlich die intensive und engagierte Sprache in den Briefen von Bettina Inglin- Zweifel. Ihre Phantasie und ihr Ideenreichtum bedeuteten ein Geschenk für den Schriftsteller. Die vorliegende erste Edition enthält eine Auswahl von 264 Briefen und ist mit zahlreichen Fotos und Faksimiles ausgestattet. Der Band spiegelt also nicht nur den schriftstellerischen Werdegang Inglins, er macht auch das literarisch-künstlerische Leben Zürichs und der Schweiz in den zwanziger bis vierziger Jahren sinnlich erfahrbar.

Meinrad Inglin
© Keystone / Photopress Archiv

Meinrad Inglin

Meinrad Inglin (1893–1971) aus Schwyz zählt zu den bedeutendsten Schweizer Schriftstellern. Nach Abbruch einer Uhrmacher- und Kellnerausbildung sowie des Gymnasiums studiert er Literaturgeschichte und Psychologie in Genf und Neuenburg. Arbeit als Zeitungsredaktor und ab 1923 als freier Schriftsteller. Für sein Werk (vor allem Romane und Erzählungen, einzelne Aufsätze, Notizen und eine Komödie) wurde Inglin vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grossen Schillerpreis und dem Gottfried Keller-Preis.

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Montag, Mitternacht

Montag, Mitternacht.

Meinrad, Meinrad!!

Fühlst Du es nicht, wie sehr ich leide? Wie schwer, wie wuchtig es auf mir drückt? Fühlst Du es nicht, dass ich wie mit zerbrochenen Gliedern daliege? Dass es mich mitten zum Schlaf herausgerissen hat? Dass ich am liebsten laut in alle Stille der schlafenden Welt hinaus schreien möchte? Was käme da zu mir zurück? Der Schmerzensschrei einer wunden Seele!

Meinrad, Meinrad! Fühlst Du, hörst Du mich nicht? Oder hat Dein Schrei mich geweckt?

Meinrad!!

Wo kann ich mich anklammern? Ringsum gähnende Einsamkeit!

Fühltest Du gestern während des Tages nichts? Konntest Du mit Deinen Kameraden fröhlich sein?

Fühltest Du nicht, wie mein Herz sich wand, wenn es mit Menschen reden & lächeln musste? Wie es mich immer wieder zu Minuten des Alleinseins zwang, um in mir drin aufzuzucken & mich immer von Neuem wieder leiden zu machen?

Fühltest Du nicht, wie es mich vor einer halben Stunde zum tiefsten Schlaf herausriss & anfing, auf meiner armen zerquälten Seele herumzuhämmern?

Meinrad!!

Und in sieben Stunden beginnt der Tag von Neuem & ich muss wiederum den Menschen ein Lächeln zeigen, ein verzweifeltes Lächeln! Ich muss Stunden geben & fröhlich sein mit meinen Kindern; ich muss zu Schaichet und den dritten Satz eines Konzertes spielen, ich muss für das Sommerfest proben & muss allüberall glücklich scheinen! Spüren die Menschen die Hilfeschreie der Seele nicht?

Meinrad!

– – –
¼ vor 1.

Ist es möglich? Es war mir, als hörte ich vorhin Schwalben vorbei zieh'n. Ist dies möglich? Der einzige Ruf eines lebenden Wesens! Wenn die Menschen einem verlassen, bleiben immer noch die Vögel seiner Sehnsucht. Oh Schwalben, nehmt meine Seele mit! Die Trennung fiele mir nicht schwer!

Meinrad!!

Ist dies nun die Liebe?

Ist dies alles, was sie einem bringt?

Und kann die Liebe einem sagen: Du hast keinen Glauben an mich? Und kann die Liebe so sein, dass sie selbstisch macht, dass sie: nur ich, denken lässt? Wo bleibt die: alles bezwingende Liebe?

Meinrad!

Warum warst Du so hart? Spürst, fühlst Du denn nicht, dass Du Dein Leben nicht mehr allein lebst?

Fühlst Du gar nichts?

Meinrad!
– – –

«Marzena Gorencka hat aus dem Briefwechsel eine Auswahl getroffen und sie mit akribischem Fleiss kommentiert. Wird in einem Schreiben etwa ein Konzertbesuch oder, seltener, eine Lesung erwähnt, erfährt man in der Anmerkung, wo und mit wem der Abend stattgefunden hat, welche Musiker dabei aufgetreten sind.»  Neue Zürcher Zeitung

«Eine Qualität von Bettinas Briefen ist es, dass sie selbst im Vorwurf noch einen gewissen Charme haben, so zum Beispiel, wenn sie ihn fragt, ob seine ‹Schweigsamkeit eine Art› sei. Die grösste Freude beim Lesen bereitet aber Bettinas Verspieltheit: Einige Male schreibt sie auf Latein «Hodie telephonabam, sed aberas. Triste» (Ich rief Dich heute an, aber Du warst nicht da. Traurig), und fast jeden ihrer Briefe spickt sie mit einem herzigen Dialektausdruck.» Tages-Anzeiger

«Diese Korrespondenz ist ein Leseerlebnis mit langem Nachklang, und es eröffnen sich die eigenständigen Gedanken zweier Menschen, die die Wiederentdeckung wert sind.» Der kleine Bund

«Obwohl Inglin später viele seiner Briefe vernichtete: In seinem Nachlass in der Kantonsbibliothek Schwyz lagern weit über tausend Briefe – von ihm einige, von Bettina alle. Die polnische Germanistin Marzena Gorecka hat sie gesichtet, sortiert und 2009 im Ammann-Verlag einen ausführlich kommentierten Band mit einer Briefauswahl herausgegeben.» Aargauer Zeitung

«Der Briefwechsel zwischen Meinrad und Bettina ist für Daniel Annen auch ein Dialog, so wie das Ende des Romans ‹Schweizerspiegel› ein Dialog ist. Die intime Nähe, mit der die Inglins ihre Gefühle zur Sprache bringen, die Meisterschaft, mit der beide sich ausdrücken, und die Phantasie, mit der sie lieben, in einer Zeit, wo die Krägen gesteift und die Röcke bodenlang sind – das ist provokant.» Die Südostschweiz

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