Am Meer dieses Licht
Fanny Wobmann

Am Meer dieses Licht

Roman

Übersetzt von Lis Künzli

152 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag,

Terra Nova Literaturpreis
Nomination Prix du public SRF


Februar 2018
SFr. 28.–, 24.– € / eBook sFr. 19.90
sofort lieferbar
Titel der Originalausgabe: «Nues dans un verre d’eau», Editions Flammarion, Paris
978-3-85791-846-9

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Schlagworte

Literatur Romandie
     
«Ein kleines Juwel.» Neue Zürcher Zeitung

Die Erzählerin Laura sitzt im Krankenhaus am Bett ihrer Großmutter. Die Großmutter sieht ihrem Ende entgegen, da machen sich die beiden nichts vor. Auf sanfte und überraschende Weise verschworen, gehen die beiden diesen Weg gemeinsam.

Tag für Tag fährt Laura nach der Arbeit ins Krankenhaus, setzt sich an Großmutters Bett, geht ein paar Schritte mit ihr, liest ihr vor, hört ihr zu, wenn sie die wichtigen kleinen Geschichten aus ihrem Leben erzählt. Ihr Leben lang hat sie gearbeitet, sich gefügt, bloss nicht lästigfallen, nichts aufrühren. Am Ende wird sie zu einer sanften Rebellin.

Wenn Großmutter schweigt, erzählt Laura von England. Sie wurde von ihrem Chef dahin geschickt, er hat was vor mit ihr. Sie hat Englisch gelernt und die Liebe ausprobiert.

In leichter und poetischer Sprache erzählt Fanny Wobmann von zwei Frauen, die sich in einer zwischen Leben und Tod schwebenden Zeit einander öffnen und an die wesentlichen Dinge rühren.

Die französische Originalausgabe wurde mit dem Terra Nova Literaturpreis der Schweizerischen Schillerstiftung ausgezeichnet.

Fanny Wobmann

Fanny Wobmann, geboren 1984 in La Chaux- de-Fonds, studierte Soziologie an der Universität Neuchâtel. Sie ist Gründungsmitglied des Autorenkollektivs Ajar und der Theaterkompanie Princesse
Léopold, für die sie schreibt, spielt und Regie führt. «Am Meer dieses Licht» ist ihr zweiter Roman.

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Lis Künzli
© Bernard Bonnefon

Lis Künzli

Lis Künzli, geboren in Willisau, studierte Germanistik und Philosophie in Zürich und Berlin und lebt heute in Toulouse. Die Übersetzerin von Amin Maalouf, Atiq Rahimi, Camille Laurens, Pierre Bayard, Pascale Hugues, Marivaux, S. Corinna Bille u. a. wurde 2009 mit dem Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis ausgezeichnet.

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Ich sehe dir beim Schlafen zu

Ich sehe dir beim Schlafen zu. Ich betrachte dich so lange, dass ich am Ende beinahe eine Ahnung davon habe, wer du wirklich bist. Du rührst dich kaum. Ich mache mit meinem Handy ein Foto von dir. Du liegst auf dem Rücken, die Hände sind gefaltet, das Gebiss hängt herunter wie bei einer Toten. Außer dass man bei Toten den Mund verschließt, damit sie friedlich aussehen im Sarg, so als schliefen sie. Vielleicht fändest du das genauso absurd wie ich, wenn ich mit dir darüber spräche. Vielleicht müsstest du lachen. Ich mag dein Lachen, es ist verschmitzt und echt.
Ich stöbere im Nachttisch. Ein Stofftaschentuch, gebügelt und gefaltet, Kreuzworträtsel, aus Zeitungen ausgeschnitten, zwei Bücher (Die Säulen der Erde von Ken Follet, das dir gut gefallen hat, und Rhapsodie der Nacht von Blaise Cendrars, das du in seinem zerrissenen Umschlagpapier gelassen hast, ich frage mich, wer dir das geschenkt haben mag, mein Vater vielleicht), zwei graue, perfekt ge­spitzte Bleistifte, ein Anspitzer, ein Gummi, drei Kassenzettel, ein Apfel, ein Kettchen und ein goldenes Kruzifix, vier Schokoladenstängel, eine Tafel Nougat mit Karamell. Du isst deine Süßigkeiten nie, du gibst sie den Kran­kenschwestern oder vergisst sie in deiner Schublade, bis ­Valerie sie findet und mitnimmt, um sie anderweitig zu verteilen. Ich esse einen Schokoladenstängel, einen grünen, und stecke einen blauen ein.

Beim Ausatmen strömt die Luft durch deine Lippen und lässt sie erzittern mit dem leisen Geräusch eines kaputten Schlauchs.
Ich langweile mich. Ich kann den Fernseher nicht einschalten, deine Zimmernachbarin findet, er sei zu laut, und hat dich gebeten, um diese Tageszeit nicht fernzusehen.
Ich könnte gehen. Dieses Zimmer verlassen und einfach losgehen, egal wohin. Aber es ist kalt draußen.
Ich gehe auf Facebook, lasse Bilder vorbeiziehen, Strände, Berge, Feste, Paare, Babys, ich lese einen Artikel, der erzählt, was aus den Stars von Baywatch geworden ist, noch einen über die terroristische Bedrohung und sage mir, dass niemand Fotos von seinen Großeltern im Krankenhausbett postet.
Mein Telefon klingelt, ich zucke zusammen, fürchte, es könnte dich wecken und ich müsste eine Beschäf­tigung für dich finden, für dich die leere Zeit ausfüllen, doch du rührst dich nicht, deine Lippen geben nur einen etwas lauteren Ton von sich, als hätte dein Schlauch plötzlich ein neues, größeres Loch. Es ist mein Vater, er hat ein paar freie Minuten zwischen zwei Terminen und sich gesagt, es sei schon eine Weile her, dass er mit mir gesprochen habe. Ich sage ihm, ich sei bei dir, er wundert sich, bin ich nicht schon letzte Woche mehrmals da gewesen?
«Ich komme oft.»
«Bist du denn nicht zu beschäftigt dafür? In deinem Alter hat man doch bestimmt Besseres zu tun, als die Zeit mit seiner Großmutter im Krankenhaus totzuschlagen?»
«Nein.»
Er beharrt nicht weiter.
«Es ist nett von dir. Ich würde auch gern öfter kommen, aber es ist schwierig, und manchmal habe ich den Eindruck, sie sei lieber allein. Und außerdem hat Valerie mir gesagt, es gehe ihr besser.»
Er fragt, ob mir England nicht fehle, und lädt mich für nächste Woche zum Abendessen ein, falls ich nicht zu sehr beschäftigt bin. Nein, bin ich nicht, ich komme gerne, ich bringe den Nachtisch mit.
«Auf Nachtische verstehst du dich. Du machst ein leckeres Tiramisu mit Himbeeren, ja?»
«Nein, das ist Valeries Spezialität. Aber ich habe in England gelernt, Cheesecake zu backen.»
«Ah, das habe ich noch nie probiert.»
Ich höre seinen Atem, sein Mund ist nah am Apparat. Er hustet ein wenig, entschuldigt sich, er muss sich schnäuzen.
«Bist du krank?»
«Bloß eine leichte Grippe, die sich hinzieht.»
Wieder sein Atem, dann:
«Und dir geht es gut?»
«Ja, ja, mir geht es gut.»
«Schön.»
«Und dir, geht es dir gut?»
«Ja, es geht. Bei der Arbeit auch. Der Ruhestand rückt näher, es bleibt mir nur noch ein Jahr. Aber das wird bestimmt merkwürdig sein, ich habe mein ganzes Leben gearbeitet, ich bin nicht sicher, ob ich weiß, wie das ohne geht.»
Ich für meinen Teil freue mich bereits auf die Rente, mir kommt es eher eigenartig vor, das ganze Leben zu arbeiten.

Als ich auflege, hast du die Augen geöffnet, lächelst mich an.
Ich frage mich, ob du jemals wieder kochen wirst, ob du noch genug Kraft findest, dieser Leidenschaft nachzu­gehen, die der Teil von dir bleibt, den ich am besten kenne, deine Soßen köcheln, hübsche Rezepte aus der Betty-Bossi-Zeitung ausschneiden, deine Terrinen zubereiten, sie kunstgerecht würzen, voller Hingabe, Tag für Tag, Mahlzeit für Mahlzeit dieselben Gesten wiederholen, dieselben Gemüse und dasselbe Hähnchen schneiden, dieselbe Packung Sahne und dieselbe Tüte Reis, denselben Backofen und dasselbe Fenster öffnen, um den Raum zu lüften.

Du möchtest, dass ich den Fernseher einschalte, aber ich erinnere dich an die Bitte deiner Nachbarin, du murrst ein wenig. «Der Winter ist lang, er ist mir immer lang vorgekommen.»

RTS, 19. Januar 2017
Magazin active live, April 2018
Buchmedia Magazin, April 2018
Luzerner Zeitung, 09. April 2018
ekz Bibliotheksservice, 27. April 2018
Neue Zürcher Zeitung, 28. April 2018
20er – Die Tiroler Strassenzeitung, 9. Mai 2018
Style, Mai 2018
Kulturmagazin Stadtzauber, Mai/Juni 2018
P.S. Zeitung, 15. Juni 2018
Aargauer Zeiung, 23. Juni 2018
Radio SRF 2, 25. Juni 2018
Bücher – Das unabhängige Literatur und Hörbuch-Magazin, Juni/Juli 2018
Literarischer Monat, Juli–September 2018
Pfarreiblatt Zug, 10. Juli 2018
Westdeutscher Rundfunk, 14. Juli 2018
literaturkritik.de, 26. Juli 2018
Literaturkurier, 2. August 2018
Kommbuch.com, 26. September 2018
Deutschlandfunk, 3. Oktober 2018
Der Evangelische Buchberater, Heft 4, Dezember 2018
Luzerner Zeitung, Top 10 von Anne-Sophie Scholl, 18. Dezember 2018
Radio SRF 2, Kontext, 9. Januar 2019


«Eine Autorin, die man sich merken sollte.»  Charles Linsmayer

«Es ist ein schlackenloser, kompakter Text, der eine staunenswerte sprachliche Reduktion erreicht, zudem eine emotionale Vielschichtigkeit aufdeckt, die von verhaltener Rührung, vom Unmut über ‹die verbissene Sauberkeit› der Klinik bis zu Gefühlen des Ekels reicht. Der Übersetzerin Lis Künzli gelingt es, die Schwerelosigkeit des französischen Originals ins Deutsche zu bringen, so dass der Roman Lesefreude verspricht, auch wenn er von ‹letzten Dingen› erzählt. Ein kleines Juwel.»  Neue Zürcher Zeitung

«Sie ist schwer zu fassen, diese junge Frau, aber das Buch, in das sie wie zufällig hineingestellt zu sein scheint, ist in der Melancholie seiner Stimmungen und in der Umsetzung seiner Trostlosigkeit in elementare Bilder von zwingender Kraft.»  Luzerner Zeitung

«Im Buch wird die Grossmutter oft direkt und schonungslos beschrieben, dennoch sind diese Passagen nicht lieblos. Eine Stärke des Buches ist gerade dieser Kontrast zwischen schonungslosem Hinschauen und immerwährender Nähe von Grossmutter und Enkelin. Man spürt trotz der teilweise harten Beschreibungen die innere Verbundenheit und Zuneigung der beiden Frauen. Sie nehmen sich gegenseitig an, mit allem was dazu gehört.» Kontext, SRF 2 Kultur

«Fanny Wobmann findet ebenso drastische wie zärtliche Worte und navigiert klug zwischen dem Drama des Vergehens, dem Wunder des Werdens und den Mühen des Alltags. Nie pathetisch, sondern echt und ehrlich.»  Buchmedia Magazin

«Dieses kleine Buch hat die Fähigkeit, die Zeit anzuhalten, und jedem Detail eine gewisse Aufmerksamkeit zu schenken, sodass die Welt auf einmal viel grösser erscheint. Ein schönes Buch, das noch weiterklingt, vielleicht wie Meeresrauschen.»  Radio SRF 2

«Die unauffälligen und prägnanten Dialoge machen das Herzstück von ‹Am Meer dieses Licht› aus. Die selbstreflexive Pointe des Romans lautet: Nur hier, in diesen Zeilen, in dieser Literatur, wird der Protagonistin der nötige Freiraum geboten, nur hier kann sie sich aussprechen, sich vollumfänglich mitteilen. In diesem Sinne ist Womanns Buch ein starkes Plädoyer für die Literatur als Artikulationsraum eines Ichs.»  Deutschlandfunk

«Der schmale Zweitling der preisgekrönten Westschweizer Autorin fesselt mit Klarheit, Leichtigkeit, Weglassung.»  Style

«Die Westschweizer Autorin hat mit diesem Text eine berührende Geschichte über das Abschiednehmen von Grosseltern geschrieben. Poetisch, mit leichter Sprache, erzählt sie von den beiden Frauen, die sich einander in einer schwierigen Situation öffnen.»  P.S. Zeitung

«Ein Roman, der mit der Poesie seiner Bilder und der beiläufig selbstbewussten Frauenstimme besticht.»  Aargauer Zeiung

«Wie sie die Welt wahrnimmt – dafür findet die Theaterfrau Fanny Wobmann poetische Sprachbilder, die eine wunderbare Brücke ins Unfertige schlagen und dennoch glaubwürdig sind, sodass man ihnen gerne folgt.»  literaturkritik.de

«Ein schmaler, eher stiller, dafür sehr ergreifender und sprachlich begeisternder Roman.»  Literaturkurier

«Eine klare, deutliche Sprache zeichnet Fanny Wobmanns ersten ins Deutsche übersetzten Roman aus. Keine beschönigenden Landschaftsbeschreibungen, sondern Schnee kennzeichnet das Aussen, sanft zwar, aber auch kalt. Und keinerlei gefühligen Familienszenen am Sterbebett, sondern nüchterne Sachlichkeit in der Darstellung des Krankenhausalltags oder der Familienkommunikation. Überzeugend und empfehlenswert.»  Deutscher Bibliotheksservice

«Ruhig, ungeschönt und doch liebevoll beschreibt die Autorin das Miteinander zweier Frauen, deren Leben ungeordnet und in Veränderung oder Abschied begriffen ist. Und so finden in diesem kleinen, lesenswerten Roman vielleicht zwei Menschen zusammen, die einander für einige Momente einen gewissen Halt in der Haltlosigkeit des Lebens geben können.»  Kommbuch.com

«Die einfache Sprache der jungen Autorin umhüllt die Geschehnisse gekonnt mit Distanz und Ratlosigkeit.»  Der Evangelische Buchberater

«Ein feines Buch.»  Pfarreiblatt Zug

«Der Ton, ist mal poetisch zart, dann wieder kraftvoll, fast herb. Am meisten berührt dieses Buch aber jenseits der Sprache, im Auslassen all dessen, was zu fein ist für Worte, aber dennoch in jeder Zeile mitschwingt.»  Westdeutscher Rundfunk

«Die Sprache im Roman ist eine konsequente Spiegelung des Stils der Berufstätigkeit von Wobmann als Stückeschreiberin und Theaterregisseurin: Sie ist filigran. Teil für Teil wird ein Text montiert, ohne grosses Aufsehen, ohne grossen rhetorischen Bombast oder Ballast.»  Deutschlandfunk

«Wobmann braucht keine sensationelle Enthüllung, keinen grossen Spannungsbogen. Wie der Rest des Romans fügt sich die Rahmenhandlung in ein unprätentiöses, stimmiges Ganzes, in dem kaum ein Wort fehl am Platz wirkt. Ein kleines Kunstwerk, das ergreifend und doch verschmitzt die Verbundenheit von zwei Frauen zelebriert.»  Literarischer Monat