Poemas de amor
Alfonsina Storni

Poemas de amor

Liebesgedichte. Spanisch und Deutsch

Mit Texten von Alberto Nessi, Christoph Kuhn / Übersetzt und mit einem Nachwort von Reinhard Streit

96 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
1., Aufl., Oktober 2003
SFr. 29.80, 29.80 €
sofort lieferbar
Originalausgabe: «Poemas de amor», Porter Hermanos, Buenos Aires 1926
978-3-85791-437-9

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«Leidenschaftliche, schmerzerfahrene Verse.»

In Argentinien hat Alfonsina Storni eine Briefmarke erhalten, ein Denkmal, Strassen sind nach ihr benannt worden. Im deutschsprachigen Raum ist die Lyrikerin und Dramatikerin noch kaum bekannt. Sie lebte ein leidenschaftliches Leben und verstiess oft gegen die Normen der argentinischen Gesellschaft. 1938 wählte sie – «unheilbar krebskrank und endlos einsam» – den Freitod und ging ins Meer.

Ihre Gedichte – die ersten veröffentlichte sie mit zwanzig Jahren – sind durchzogen von Kritik an der Gefühlsarmut in patriarchalischen Gesellschaften. In den «Poemas de amor» dringt die Enttäuschung über eine zerbrochene Liebesbeziehung durch, und gleichzeitig ist die Widerstandskraft spürbar, die Alfonsina Storni in ihrem Leben als allein erziehende Mutter und als Eingewanderte dringend benötigte.

Alfonsina Storni
© Limmat Verlag

Alfonsina Storni

Alfonsina Storni, benannt nach ihrem Vater Alfonso, wurde 1892 in der Schweiz geboren, wo ihre nach Argentinien emigrierten Eltern Verwandte besuchten.

1896 kehrte die Familie nach Argentinien zurück, wo sie am Fuss der Anden in San Juan in recht ärmlichen Verhältnissen lebten. 1901 verliessen sie San Juan und zogen nach Rosario. Der Vater, früher ein wohlhabender Bierbrauer und Besitzer einer Sodafabrik, jetzt Alkoholiker, ging mit seinem Kaffeehaus, dem «Café Suizo», pleite, und die Mutter, die ein Lehrerinnendiplom aus der Schweiz mitgebracht hatte, eröffnete eine kleine Privatschule im eigenen Haus. Ausserdem versuchte sie, die Familie mit Näharbeiten über Wasser zu halten.

1906 starb der Vater, und Alfonsina begann mit 13 Jahren, in einer Hutfabrik zu arbeiten; am 1. Mai verteilte sie anarchistische Flugblätter bei den Demonstrationen. Zur «Semana Santa» spielte ihre Mutter in einem Passionsspiel mit; als eine Schauspielerin erkrankte, sprang Alfonsina ein. Kurze Zeit später kam die fahrende Theaterkompanie des spanischen Schauspielers José Tallaví in die Stadt, Alfonsina ergriff diese Gelegenheit, reiste ein Jahr lang mit der Truppe umher und trat in den Stücken «Gespenster» (Henrik Ibsen), «La loca de la casa» (Benito Pérez Galdós) und «Los muertos» (Florencio Sánchez) auf.

1909 ging sie nach Coronda, um dort an einer Lehrerbildungsanstalt (Escuela Normal Mixta de Maestros Rurales) zu studieren; am Wochenende arbeitete sie als Sängerin in einem Theater, bis ihr Doppelleben aufflog und es zu einem Skandal an der Schule kam – Anlass für ihren ersten Selbstmordversuch. 1910 erhielt sie ihr Lehrerinnendiplom, und ein Jahr später begann sie an einer Schule in Rosario zu unterrichten (Escuela Elemental Nº 65); erste Gedichte erschienen in den Zeitungen der Stadt. Zu dieser Zeit lernte sie einen verheirateten Politiker, Carlos Tercero Arguimbau, kennen, von dem sie bald ein Kind erwartete; um der ‹Schande› in der Provinz zu entgehen, zog sie nach Buenos Aires, wo am 21. April 1912 ihr Sohn Alejandro geboren wurde, der nicht den Namen seines Vaters trug. Für ihren Lebensunterhalt musste sie alle möglichen Arbeiten annehmen, u. a. war sie als Kassiererin in einer Apotheke und als Korrespondentin einer Handelsfirma tätig.

1913 publizierte sie erste Gedichte in der Zeitschrift «Caras y Caretas» (wofür sie jedes Mal 25 Pesos bekam). 1916 erschien ihr erster Gedichtband, «La inquietud del rosal», dessen Druck sie selber finanzierte; die Kosten von 500 Pesos hierfür zahlte sie ein Leben lang ab.

Sie kannte José Enrique Rodó, Amado Nervo, José Ingenieros und Manuel Ugarte. Mit den letzten beiden war sie eng befreundet. Sie reiste oft nach Montevideo in Uruguay, wo sie die Dichterin Juana de Ibarbourou und den Schriftsteller Horacio Quiroga kennenlernte.

1917 erhielt sie den Premio Anual del Consejo Nacional de Mujeres für ihren «Canto a los ni os». Im selben Jahr wurde sie zur Leiterin der Internatsschule Marcos Paz der Asociación Protectora de Hijos de Policías y Bomberos ernannt. Dort kümmerte sie sich um die Bibliothek und kam wieder mehr zum Schreiben. Doch eine weitere Nervenkrise zwang sie, sich aus dem Internat zurückzuziehen; zeitweilig arbeitete sie als Aufseherin in einer Schule für geistig behinderte Kinder (Escuela de Ni os Débiles del Parque Chacabuco), die sie mit Geschichten und Liedern beruhigte. Sie rezitierte ihre Gedichte auch immer wieder in kleinen Bibliotheken des Partido Socialista, mit der sie zwar sympathisierte, aber nie Mitglied wurde.

Am 9. November 1919 wurde sie endlich argentinische Staatsbürgerin. 1920 reiste sie auf Einladung der Universität nach Montevideo, wo sie mehrere Vorträge hielt, unter anderem über die von ihr bewunderte Delmira Agustini, der sie auch ein Gedicht widmete. Nach der Anerkennung, die ihr in Uruguay zuteilgeworden war, fühlte sie sich in Buenos Aires wieder einsam und unverstanden und litt unter starken Depressionen. Dabei schrieb sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit: während sie die Hefte ihrer Schüler korrigierte, im Kaffeehaus, in der Strassenbahn, auf Telegrammformularen.

Mit 28 Jahren publizierte sie «Languidez» (1920), ihre dritte Lyriksammlung, mit der Widmung: «Denen, die wie ich keinen einzigen ihrer Träume verwirklichen konnten.» Dabei war die Kritik hingerissen, das Buch bald vergriffen, und es wurde mit zwei Literaturpreisen ausgezeichnet. 1921 halfen ihr Freunde aus ihrer misslichen finanziellen Situation, indem sie eigens für sie einen Posten am Teatro Infantil Labardén schufen, wo sie Kindern Schauspielunterricht erteilte und selbst einige Dramen für Kinder schrieb. Zu dieser Zeit begann sie an Verfolgungsvorstellungen zu leiden.

1922 wurde ihr der Premio Nacional (Argentinischer Staatspreis für Literatur) zugesprochen. 1923 verschaffte ihr ihr Freund und Bewunderer, der spätere Unterrichtsminister Antonio Sagarna, einen Posten als Professorin für Deklamation an der Escuela Normal de Lenguas Vivas. 1925 erschien der Gedichtband Ocre, der eine neue Richtung in ihrer Arbeit darstellte. Sie organisierte die Primera Fiesta de la Poesía in Mar del Plata, wo sie zusammen mit anderen Dichterinnen auftrat und grossen Erfolg hatte. 1926 erhielt sie einen Lehrstuhl am Musikkonservatorium und unterrichtete Spanisch und Arithmetik an einer Schule für Erwachsene. In diesem Jahr gab sie auch ihr einziges Prosawerk heraus, «Poemas de amor», das in drei Auflagen gedruckt wurde und ins Französische übersetzt wurde. 1927 wurde im Beisein des Präsidenten und anderer hoher Würdenträger ihr Theaterstück «El amo del mundo» uraufgeführt, jedoch nach drei Abenden mangels Erfolg wieder abgesetzt. Man warf ihr vor, darin die Männer zu scharf kritisiert zu haben.

1930 reiste sie nach Europa und hielt in Spanien mit grossem Erfolg Vorträge und Lesungen. Dabei macht sie auch einen Blitzbesuch in ihrem Schweizer Geburtsort. Nach ihrer Rückkehr publizierte sie «Dos farsas pirotécnicas» (1931). 1933 lernte sie Federico García Lorca in Buenos Aires kennen; auch ihm widmete sie ein Gedicht. Eine zweite Europareise folgte 1934, zusammen mit ihrem Sohn Alejandro; sie wurde in Kulturvereine und Akademien eingeladen und hatte grossen Zulauf. In diesem Jahr begann eine neue Schaffensepoche mit «Mundo de siete pozos» (der Titel bezieht sich auf den menschlichen Kopf mit seinen sieben Öffnungen); ihr Stil wurde immer sarkastischer und provokanter.

1935 erkrankte sie an Brustkrebs. Sie wurde operiert, hielt jedoch die chemotherapeutische Nachbehandlung nicht lange durch. In den Jahren 1937/38 schieden zudem zwei ihrer besten Freunde, die Dichter Horacio Quiroga und Leopoldo Lugones, durch Selbstmord aus dem Leben. Noch einmal wurde Storni im Januar 1938 nach Montevideo eingeladen, wo sie zusammen mit Gabriela Mistral und Juana de Ibarbourou das große «weibliche Dreigestirn» der lateinamerikanischen Poesie bildete. Sie selbst hielt dort ihren Vortrag «Entre un par de maletas a medio abrir y las manecillas del reloj» (Zwischen halb geöffneten Koffern und Uhrzeigern). In ihren letzten Gedichten klingen bereits konkrete Selbstmordgedanken an.

Am 22. Oktober 1938 schrieb sie in einer Pension in Mar del Plata das Gedicht «Voy a dormir» (Ich gehe schlafen), das sie noch zur Post brachte und das zwei Tage nach ihrem Tod von der Zeitung «La Nación» veröffentlicht wurde. Am 25. Oktober 1938 fand Storni am Strand La Perla den Tod im Meer. Ihr Grab befindet sich auf dem Cementerio de la Chacarita in Buenos Aires.

Ihr Selbstmord ist das Motiv des Gedichtes «Alfonsina y el Mar» von Félix Luna, das von Ariel Ramírez vertont wurde und zu den bekanntesten lateinamerikanischen Liedern zählt und in die Welt getragen wurde von Mercedes Sosa (siehe unter «Mehr»).

Parallel zu ihrem abenteuerlichen und harten Leben schreibt sie kontinuierlich Gedichte, streift Haut für Haut Überlieferungen, Konventionen in Form und Inhalt, in Motiv, Vokabular, Duktus ab, um ihren unverwechselbaren Ton, ihre kühne und eigenwillige Metaphorik rein auszudrücken. In ihren journalistischen Arbeiten setzt sie sich explizit für die Rechte der Frauen ein. Schwer erkrankt, stürzt sie sich am 25. Oktober 1938 in Mar del Plata in den Atlantik.

Quelle: Wikipedia


9783857917912Christoph Kühn

Alfonsina

Das bewegte Leben einer grossen Avantgardistin

DVD, Untertitel Französisch / Englisch / Italienisch

 

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Alberto Nessi

Alberto Nessi, geboren 1940 in Mendrisio, studierte an der Universität Freiburg Literaturwissenschaft und Philosophie. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Er unterrichtete italienische Literatur in Mendrisio, schrieb für Zeitungen und verfasste Hörspiele. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Schweizer Grand Prix Literatur für sein Lebenswerk. Alberto Nessi lebt in Bruzella.

Wie wird man Schriftsteller?
Ein biografischer Bericht von Alberto Nessi
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Reinhard Streit

Reinhard Streit

1967 in Köln geboren, Studium der Romanistik (Französisch und Spanisch), Slawistik, Iberische und Lateinamerikanische Geschichte an der Universität Köln, 1998 Hospitanz im Iberoamerikanischen Programm (ILAP) der Deutschen Welle in Köln, seither Übersetzungen von Texten (Lyrik, Prosa und Theater) süd- und mittelamerikanischer Dichterinnen und Dichter sowie von Reiseliteratur aus dem Spanischen und von Ausstellungskatalogen sowie touristischen Texten aus dem Niederländischen; 2002/3 Mitarbeit an Inszenierungen von Theaterstücken an nicht professionellen Bühnen, lebt in Köln.

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Alfonsina Storni oder die Unmöglichkeit der Liebe

Aus dem Nachwort von Christoph Kuhn

Als Alfonsina Storni 1912 aus der argentinischen Provinz nach Buenos Aires kam, eine 20-jährige Tochter von Emigranten, ohne Geld, ohne Verbindungen, mit einem ein paar Monate alten Kind, das nicht den Namen des Vaters trug, fand sie sich in einer brodelnden Millionenstadt wieder, die sich anschickte, eine kontinentale Metropole zu werden, mit allem Glanz und Elend, die mit derartigen Ambitionen verbunden sind. Die Stadt, stolz seit eh und je auf ihre europäische Provenienz, entwickelte sich in schnellem Tempo, modernisierte, industrialisierte sich, versuchte architektonisch Paris nachzuahmen, sog Immigranten aus allen Regionen der alten Welt auf und absorbierte sie, wurde erschüttert von Verteilerkämpfen, sozialen Unruhen und profitierte vom wachsenden Reichtum der Grossgrundbesitzer. Alfonsina gelang es in verhältnismässig kurzer Zeit, diesen Moloch und seine intellektuelle Elite zu erobern.

Am Schluss ihres kurzen Lebens war Storni in Argentinien, in Uruguay, aber auch in Chile, in Spanien eine anerkannte Lyrikerin. Ihre Deklamationsabende und Vorlesungen zogen ein interessiertes Publikum an und den Lesern von Zeitungen und Zeitschriften war sie als oft porträtierte und interviewte Figur des öffentlichen Lebens vertraut. In einer im argentinischen Senat verlesenen Würdigung griff ein sozialistischer Abgeordneter einen Monat nach ihrem Tod, im November 1938, tief ins pathetische und patriotische Vokabular, um sie zu ehren. Innerhalb zweier Jahre hatten drei der grössten argentinischen Dichter, Horacio Quiroga, Leopoldo Lugones und Alfonsina Storni, Selbstmord begangen. Der Abgeordnete brachte ihr Leben mit dem Leben der Nation in Zusammenhang, warf den Staatsorganen ‹eisige Gleichgültigkeit› vor und machte sie, indirekt, für den Tod der Dichter verantwortlich. Tatsächlich waren Argentinien und Buenos Aires nach Jahren des Aufschwungs, der kulturellen Blüte, in Depressionen verfallen. Seit 1930 regierten Generäle oder von Generälen abhängige konservative Hampelmänner das Land – für unkonventionelle, für hochkarätige und unbequeme Intellektuelle und Dichter eine schlechte Zeit.

(...)

XXV

Es media noche. Yo estoy separada de ti por la ciudad: espesas masas negras, ringlas de casas, bosques de palabras perdidas pero aún vibrando, nubes invisibles de cuerpos microscópicos. Pero proyecto mi alma fuera de mí y te alcanzo, te toco. Tú estás despierto y te estremeces al oírme. Y cuanto está cerca de ti se estremece contigo.

Es ist Mitternacht. Die Stadt trennt mich von dir – dichtgedrängte schwarze Masse, Häuserreihen, Wälder verlorener und dennoch nachklingender Wörter, unsichtbare Wolken mikroskopisch kleiner Körper. Meine Seele aber entfalte ich außerhalb meiner selbst; ich erreiche dich, ich berühre dich. Du bist wach, du erbebst, als du mich hörst. Und so nahe meine Seele dir ist, so sehr erbebt sie gemeinsam mit dir.

Weltwoche, 15. Januar 2004
Tessiner Zeitung, 18./19. Mai 2004
WochenZeitung WoZ, 27. Mai 2004
Wir Frauen, Sommer 2004
Wagnis 5/2005
Der Bund, 25. Oktober 2008


«Was ist los mit all diesen klugen, begabten Frauen, welchen Druck konnten sie nicht mehr ertragen? Alfonsina Storni schreibt in einem ihrer Sonette: ‹Wir geistigen Frauen / enden als Verliererinnen in Liebesgeschäften.› Solche Bücher interessieren mich.» Elke Heidenreich

«Leidenschaftliche, schmerzerfahrene Verse.» Neues Deutschland

«Stornis Gedichte sind Lektionen für Verliebte und solche, die es werden wollen, Gesänge auf einen unberechenbaren Zustand der irrationalen Ekstasen.» WoZ

«Das Erschütterndste an den ungebärdigen Gedichten ist aber vielleicht die enge motivische Verbindung, die die Liebe darin mit dem Tod eingeht.» Die Weltwoche

«Am grossartigsten zu Poesie gemacht hat Alfonsina Storni die Sehnsucht, wo sie endgültig Abschied von einem namenlosen Geliebten nahm. Nach dem Vorbild Baudelaires, aber viel leidenschaftlicher, hat sie in diesen ‹Poèmes en prose› eine von der Krankheit Liebe befallene Seele mit Texten ausgeleuchtet, die einen ganzen Kosmos aus Licht, Luft, Holz, Wasser, Rosen, Blättern, Fischen und Wolken evozieren und so ganz nahe an die moderne konkrete Poesie heranrücken.» Der Bund

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