Schonzeit
Isabelle Stamm

Schonzeit

228 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
1., Auflage, Februar 2010
SFr. 32.–, 32.– €
vergriffen
978-3-85791-598-7

Schlagworte

Familie Literatur
     

Miruna Lupescu, eine junge Schweizerin rumänischer Abstammung, die sich ihren Lebensunterhalt mit Übersetzungen verdient, lebt zurückgezogen in einer kleinen Wohnung, ihrem «Turm». Besuch bekommt sie allein von Julius, mit dem sie eine zwiespältige Beziehung verbindet. Einmal im Monat trifft sie sich mit ihrer Schwester Anna, die ihr auch den Auftrag zuhält, die 'Briefe an den Sohn meiner Tochter' eines Gabriel Alexandru aus dem Rumänischen zu übersetzen. Miruna sucht die Begegnung mit dem Adressaten dieser Briefe, Johann Tschanun, und es beginnt eine Reise ins Ungewisse, auf die sie sich nur widerwillig einlässt.
Isabelle Stamm legt einen faszinierenden Roman vor, in dem sie die Familiengeschichten zweier junger Leute ineinander verwebt.
'Am stärksten ist Isabelle Stamm dort, wo sie auf knappem Raum ohne zu psychologisieren eine Begebenheit herausarbeitet.' Der Bund

Isabelle Stamm
© Limmat Verlag

Isabelle Stamm

Isabelle Stamm, geboren 1977 in Schaffhausen, verbrachte ihre Kindheit in Lausanne, Wallisellen und im Aargau. Nach einigen Semestern Studium in Geschichte und Psychologie und einem längeren Aufenthalt in Prag lebt und schreibt sie heute in Aarau. Isabelle Stamm erhielt mehrere Auszeichnungen, u. a. vom Aargauer Kuratorium und vom Kuratorium Schaffhausen.

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Julius kommt herein ...

Julius kommt herein, zieht seinen Mantel aus und wirft ihn über die Sessellehne, fährt sich mit der Hand durchs blonde Haar und schaut sich um. Sein Blick entzaubert meinen verwunschenen Turm. Er wendet sich mir zu, mustert mich und lächelt. Julius ist ein viellächelnder Mensch, er hat allen Grund dazu. Ich fragte mich, warum ich ihn eingelassen hatte, warum ich ihn nicht gleich wieder wegschickte, wo mein Wille geblieben war, meine Selbstachtung. Stumm betrachteten wir einander. Ich hätte ihn auf der Stelle an den Schultern packen, ihn zum Bett ziehen, mich mit ihm auf die Matratze werfen können. Ich tue nichts dergleichen, starre ihn nur an, seine hohe Stirn, das kräftige Kinn, die glatte Haut an seinem Hals, an seinen Handgelenken. Julius verlangt zu trinken. Ich bringe ihm ein Glas Wasser. Er trinkt es in einem Zug leer und meint dann, indem er sich wieder im Zimmer umsieht, ich sollte eine Putzfrau einstellen. Ob er dafür bezahlen würde. Warum ich mir keinen Job suche. Warum er nicht die Klappe halte. Wir seien aber freundlich heute. Wenn er Freundlichkeit von mir wolle, solle er sich besser benehmen oder ob er sich für etwas Besonderes halte.

Wir sind alle etwas Besonderes, Äffchen.

Hör auf, mich Äffchen zu nennen.

Dann hör auf, beim Sex wie eines zu schreien.

Ich trage das Glas in die Küche zurück, fülle es wieder mit Wasser und trinke es aus, stehle mir so ein, zwei Minuten mit mir allein. Mein Kopf brummt. Ich kehre ins Zimmer zurück. Julius hat sich auf die Matratze gesetzt und schaut mir entgegen, fragt, ob ich etwas zu rauchen habe. Ich werfe ihm das Päckchen Zigaretten, das auf dem Tisch liegt, in den Schoß, doch er schüttelt den Kopf. Was denn, frage ich gereizt, er sagt, Gras, und ich, er wisse doch, wie teuer das Zeug sei, worauf er eine Grimasse schneidet. Ich zahl dir auch was dafür. Widerwillig klaube ich die angefangene Maria aus dem Aschenbecher, zünde sie an und nehme neben Julius Platz, reiche ihm den Joint, schaue zu, wie er sein Ende mit den Lippen umschließt und daran zieht. Wir rauchen abwechslungsweise. Nach einer Weile schaut er an mir vorbei und sagt: Dein Rabe kommt zu Besuch. Ich wende den Blick zum Fenster. Auf dem Sims hockt der Rabe und späht aus schwarzglänzendem Auge ins Zimmer. Wie eine Botschaft aus einem Traum. Als wäre er eben meiner und Julius' Phantasie entsprungen, zeitgleich, als wollten wir durch ihn zueinander sprechen.
Aargauer Zeitung, 26. April 2010
DRS 3, Buchtipp, 14. Juni 2010
Reflexe, DRS 2, 19. Juli 2010

«Mit ‹Schonzeit› einem kriminalistisch durchwirkten Roman, beweist die 33-jährige Aarauer Autorin nach ihrem Debüt ‹Zwillings Welten› (2008) erneut ihre Fähigkeit, verschiedene Erzählebenen formal gekonnt zu verknüpfen. Auch gelingt es ihr wieder, trotz unterschiedlichen Handlungssträngen ein stimmiges Ganzes entstehen zu lassen. Und sie hat ein ausgesprochenes Gespür für Geschichten und spannungsvolles Erzählen.» Aargauer Zeitung

«Der schöne und schonungslose Roman ‹Schonzeit› erzählt von einer jungen Liebe, die auf die Probe gestellt wird. Das Buch besticht durch seine lebensechten Figuren und eine packende Familiengeschichte.» DRS 3

«Eine subtil konstruierte Geschichte zu den Geheimnissen zweier Familien» Reflexe, DRS 2
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